REUTLINGEN. Trau, schau wem: Vor allem, wenn es um Lebensmittel geht. Wer gutes Fleisch kaufen will, geht zum Metzger seines Vertrauens. Der arbeitet nach allen Regeln der Kunst, kennt sich mit Hygiene, Lebensmittelsicherheit, Fleischverarbeitung und Wurstherstellung, Kundenberatung aus, kann genau informieren, wo und wie die Tiere, die er verarbeitet, gelebt haben, gefüttert und gehalten wurden. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Doch Letztere soll ein Mann von der Alb umgangen und trotzdem sein Geschäft betrieben haben. Einen Meistertitel, der zwingend zum Führen einer Metzgerei notwendig ist, soll er nicht haben.
Sein Vater hat auf der Alb eine Metzgerei betrieben. Die hat der Angeklagte nach dessen Tod 2021 übernommen und weitergeführt. Er habe vorgespiegelt, so der Vorwurf der Staatsanwältin, eine entsprechende Ausbildung zu haben, die für die Gewerbeanmeldung nötig ist. Zwischen 2022 und 2024 soll er geschlachtet, Wurst hergestellt und Fleisch verkauft haben, obwohl sich seine Betriebsräume in hygienisch desolatem Zustand befunden haben sollen. Die nötige Fleischbeschau habe er nicht durchführen lassen. Im Auftrag von Kunden soll er deren angelieferte Tiere geschlachtet haben, bei der Abholung aber Fleisch anderer Tiere von anderer Qualität abgegeben haben.
Metzger ohne Meistertitel
Seine Geschäftspartnerin soll die Organisation des Handels übernommen, Angebote erstellt, Preise ausgehandelt haben. Die verkauften Waren sollen teils verdorben gewesen sein. Die Staatsanwältin hatte eine lange Liste vorzutragen, an die 35 Fälle zählte sie auf, bei denen es darum ging, dass sich die beiden gewerbsmäßig rechtswidrig Vermögensvorteil verschafft haben. Dabei geht es um mehr als 16.000 Euro, die die beiden durch den Handel mit falsch deklarierten sowie verdorbenen Fleisch- und Wurstwaren von ihren Kunden eingenommen haben, denen der Appetit auf die Produkte wohl vergangen ist, obwohl manche mehrmals beim Metzger ohne Meistertitel eingekauft haben.
Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, die Staatsanwältin hatte noch ein paar mehr Punkte aus ihrer Anklageschrift zu verlesen. Zum Beispiel, dass in dem Betrieb die Schlachtabfälle nicht ordnungsgemäß entsorgt, also einer Tierkörperbeseitigungsanlage zugeführt wurden. Sie wurden auf dem Hof in einem Wohngebiet zum Teil offen gelagert. Tierreste, ein verendetes Bisonkalb, Rinderschädel, teilweise zerlegte Rehe, Gedärme wurden von der Polizei gefunden. Außerdem lagerten zum Verkauf bestimmte Lebensmittel neben verdorbener Ware.
Tiere abgemagert, verdreckte Käfige
Zudem wird beiden vorgeworfen, in der Alb-Gemeinde Lamas, Yaks, Pferde, Esel, Schweine, Ziegen, Rinder und Geflügel gehalten zu haben und diese nur ganz unzureichend gefüttert und getränkt zu haben. Die Tiere waren zum Teil abgemagert vorgefunden worden, als das Veterinäramt vor Ort war, ein acht bis neun Monate altes Rind lag tot im Stall, eine Ziege überlebte nicht, obwohl noch versucht wurde, sie aufzupäppeln. Manche Tiere, zum Beispiel ein Lama, waren so eingepfercht, dass sie sich nicht bewegen konnten, hatten überlange Klauen. Der Zustand änderte sich nicht, das ergab eine Nachkontrolle, bei der die Tiere unruhig waren und lautstark ihrem Hunger Ausdruck gaben, verlas die Staatsanwältin die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz.
Ähnliche Szenarien boten sich laut Anklage auch in der Wohnung der Frau, die dort zahlreiche Katzen, Hunde und Welpen sowie diverse Kleintiere wie Ratten, eine Schildkröte und wild gefangene Mäuse hielt. Von »schlimmen Bedingungen« sprach die Staatsanwältin, mit Kot und Urin verdreckten Käfigen und Terrarien.
Wie viele Zeugen braucht's?
Richter Eberhard Hausch schickte vorweg, dass man sich bei diesem Prozess wie bei einem Theater-Abo auf regelmäßige Treffen einstellen könne. »Darf's ein bisschen mehr sein?« Der gern gesagte Satz im Metzgereifachgeschäft, wenn die Waage statt der gewünschten 100 Gramm 116 Gramm anzeigt, trifft auch auf die Anzahl der Zeugen zu, die in dem Prozess gehört werden sollen oder müssen. Wie viele müssen ihre Aussage machen? Bei 35 angeklagten Fällen den Fleisch- und Wursthandel betreffend kommen mehr als 20 geprellte Kunden in Betracht. Wie soll der weitere Verlauf strukturiert werden? Richter, Schöffen, die beiden Rechtsanwälte und die Staatsanwältin zogen sich zur Besprechung zurück, um sich über das weitere Vorgehen zu verständigen. Die zum ersten Termin geladenen vier Zeugen wurden nicht gehört. Bei den kommenden beiden Terminen werden unter anderem jeweils die Vorstrafen sowie weitere persönliche Umstände der beiden Angeklagten erörtert, Anfang Juli geht es dann an die Beweisaufnahme. (GEA)