REUTLINGEN. Auf der 28. internationalen Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Dubai (COP 28) spielt Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) derzeit eine wichtige Rolle. Diese übernahm sie zuletzt nicht nur für Deutschland, sondern führte dort auch für die Europäische Union (EU) die Verhandlungen zur weiteren Minderung von Treibhausgasen.
Vor Kurzem war sie außerdem zu Besuch in Slowenien und reiste in das Krieg führende Israel. Von der dortigen Regierung verlangt sie den stärkeren Einsatz für den Schutz von Zivilisten im Gazastreifen. Auch wenn Kritiker ihr gebetsmühlenhaft vorwerfen, ungeschickt aufzutreten, scheint sie auf internationalem Parkett zunehmend eine gute Figur zu machen. Was sagen grüne Parteigenossen aus der Region dazu? Schlägt sich die 42-Jährige gut, schlecht, ungeschickt? Und muss das nun zwangsläufig zur Machtfrage der Grünen auf Bundesebene führen? Wir haben MdB Beate Müller-Gemmeke, MdL Cindy Holmberg und Gabriele Janz, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Reutlinger Gemeinderat, dazu befragt.
Die Reutlinger Grünen-Sozialpolitikerin im Bundestag, Beate Müller-Gemmeke, schätzt Annalena Baerbock sehr - »als Ministerin, aber insbesondere auch als Fraktionskollegin«. Sie sei »jederzeit für Anliegen schnell und unkompliziert ansprechbar«, erklärt die 63-Jährige. »Das Miteinander ist kollegial und solidarisch.« Sie schlage sich gut, findet Müller-Gemmeke. »Weil sie als Außenministerin menschlich und authentisch bleibt und Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt.« Stichwort: Feministische Außenpolitik? »Entscheidungen der Außen- und Sicherheitspolitik betreffen alle Menschen eines Landes. Und doch werden Frauen und andere marginalisierte Gruppe häufig bei Entscheidungsprozessen weder mitgedacht noch beteiligt. Genau das möchte Annalena Baerbock mit einer werteorientierte Außenpolitik verändern. Und das ist gut.«
Wir haben gerade mal Halbzeit in dieser Legislaturperiode und die Herausforderungen sind groß, vor denen wir stehen, betont die Abgeordnete des Wahlkreises 289, Reutlingen. »Es ist nicht die Zeit, sich mit Machtfragen zu beschäftigten. Das macht Annalena Baerbock nicht, und das machen wir als Fraktion auch nicht.«
Cindy Holmberg betont, sie stehe voller Überzeugung hinter Annalena Baerbock. Von Anfang an bis heute. Das sei eine sehr starke Frau, die ihre Position als Außenministerin gut ausfülle. Voller Menschlichkeit, aber auch mit der manchmal nötigen Härte. »Ich empfinde sie als sehr nahbar und bodenständig.« Dabei hat Baerbock aus Sicht der 48-Jährigen mit »unglaublichen Konflikten« umzugehen, was auf ihre direkten Vorgänger so nicht zutraf. »Mit massiven Auswirkungen für uns.« Da die Leidtragenden von Kriegen oft auch Frauen und Kinder seien, heißt sie die sogenannte »feministische Außenpolitik« ausdrücklich gut. »Es ist ganz wichtig, als Außenministerin die Schwächsten zu schützen«, auch in Bezug auf Armut. Weltweit legten auch andere Frauen in Spitzenpositionen der Politik - Neuseeland oder Finnland - da ein besonderes Augenmerk drauf. Und gerieten dafür nicht selten »auch ganz besonders unter Beschuss«.
Neben der Außenministerin steht die Abgeordnete aus Metzingen für den Landtags-Wahlkreis 61, Hechingen-Münsingen, auch fest hinter der einstigen Grünen-Doppelspitze Robert Habeck und Annalena Baerbock. Der heutige Vizekanzler und Wirtschaftsminster und die Außenministerin bilden »ein gutes Team«, findet sie.
Auch die Grünen-Fraktionschefin im Reutlinger Gemeinderat, Gabriele Janz, steht Annalena Baerbock »sehr positiv« gegenüber. Dass sie »als junge und doch schon erfahrene Grünen-Politikerin diese Herausforderung annahm«, nämlich das Amt der Außenministerin, habe sie außerordentlich gefreut. Für die »ganz schwierige Situation«, in die sie damit hineingeriet, mache sie ihre Sache überaus gut. Aktuell schätzt die Reutlinger Kommunalpolitikerin, wie achtsam Baerbock angesichts der blutigen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina vorgehe. Sie verliere dabei keine Seite aus den Augen, beharre klar darauf, dass dieser Konflikt nicht auf Kosten der Zivil-Bevölkerung gehen dürfe, und mache zugleich deutlich, dass Deutschland zu Israel steht.
Die feministische Außenpolitik sei »ein Ansatz, der mal einen anderen Blick eröffnet«, meint Janz. Die männliche Sicht sei doch noch immer dominierend. Als Frau schaue man eine Gesellschaft anders an. »Wie die Gleichstellung nicht immer von allen verstanden wird«, so werde auch Baerbock nach wie vor manchmal falsch verstanden. Und ins Lächerliche gezogen. Sie bringe andere Aspekte ein. »Ich finde das mutig.«
Kein Anlass für eine Machtfrage
Stellt sich bei den Grünen auf Bundeseben nun die Machtfrage? »Ich sehe das nicht so einspurig«, sagt die 73-Jährige. Robert Habeck habe als Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler andere Herausforderungen zu meistern als Außenministerin Annalena Baerbock. Die beiden erfüllten jeweils ihre Aufgaben. »Ich kann gar nicht sagen, wen ich da jetzt vorne sehe.« Sie sehe da auch gar keinen Anlass für einen Machtkampf. (GEA)