FRANKFURT/SONNENBÜHL/HAYINGEN. Freude, Jubel und der Preis für harte Arbeit: In Frankfurt sind gestern die neuen Michelin-Sterne an Spitzenküchen in Deutschland verliehen worden. Das zweite Jahr in Folge gibt es demnach so viele Sterne-Restaurants in Deutschland wie nie zuvor.
Die beiden Sterneköche von der Alb, Gerd Windhösel und Simon Tress, haben ihren Stern jeweils verteidigt. »Das ist ziemlich cool, ich freue mich mega und bin unfassbar glücklich und dankbar für mein Team«, sagt Tress, der im vergangenen Jahr seinen ersten Stern entgegennehmen durfte. Dass sein »1950« in Ehestetten nach wie vor das erste Sterne-Restaraurant in Europa sei, das Fine Dining mit 100 Prozent Bio kombiniere, mache ihn stolz, sagt Tress, der beim zweiten großen Restaurantführer, dem Gault-Millau, mit vier schwarzen Hauben gelistet ist.
Mit einem zweiten Stern gerechnet habe er noch nicht, aber: »Wir wollen weiter nach den Sternen greifen«, zeigt er sich selbstbewusst. Auf die Vergabe folge unmittelbar die nächste Testsaison, in der Tress die Tester mit einem überarbeiteten, noch radikaleren Konzept überzeugen möchte. Tress kreiert im »1950« ebenso regionale wie raffinierte Menüs, deren Zutaten – außer Salz – im 25-Kilometer-Radius erzeugt werden.
31 Jahre ist Gerd Windhösels Restaurant Hirsch in Erpfingen nun ununterbrochen mit dem begehrten Michelin-Stern ausgezeichnet. »Natürlich ist man gespannt und macht sich Gedanken, was wäre, wenn« er die Auszeichnung nicht wieder erhalten würde. Für den 64-Jährigen ist der Stern ein Beweis dafür, dass er mit seinem Anspruch und seiner Linie, »der wir uns treu bleiben« auf dem richtigen Weg ist und dass das ankommt – bei Testern und Gästen. Keine »Akrobatik auf dem Teller«, er steht für Geschmack, Authentizität, für eine regionale Küche mit Pfiff, für Produkte aus der Region, die im Vordergrund stehen und keine Show-Effekte, kein Chichi brauchen, um ansprechend präsentiert zu werden.
»Die Kontinuität der Vergabe gibt mir recht«, sagt Windhösel, der täglich in der Küche steht. Er will nicht für einen elitären Kreis kochen, sondern für ein breites Publikum. Seine Gäste können nicht nur ein Menü wählen, sondern auch à la carte »nach Lust und Tagesform« bestellen. Denn: »Ich will den Gast nicht bevormunden.« Die erneute Auszeichnung »macht mich stolz«. Sie gebe ihm Sicherheit und Rückendeckung und ist der Beweis, dass er mit seinem Weg, dass auf den Teller soll, was die Region und die Jahreszeit hergibt, den internationalen Vergleich nicht scheuen brauche.
Zum Feiern blieb Gerd Windhösel am Dienstag keine Zeit, er stand in seiner Hirsch-Küche, als der Guide Michelin Deutschland am Abend die Sternevergabe bekannt gab. »Aber ich werde mit meinen Mitarbeitern anstoßen. Das ist keine Leistung eines Einzelnen. Ich spiele vielleicht die erste Geige, aber im Orchester. Ohne meine Mitarbeiter, die motiviert und gut gelaunt arbeiten, kann ich fast nichts machen.« Das alles macht den Service und das Ambiente des Hauses für ihn aus.
Seltenheit in der Spitzenküche
Insgesamt 341 Betriebe können sich in diesem Jahr mit mindestens einem Stern des Gourmetführers »Guide Michelin« schmücken. Insgesamt zwölf Restaurants dürfen 2025 die höchste Michelin-Auszeichnung tragen und sich mit drei Sternen schmücken. Gleich zwei neue Restaurants wurden in den Spitzenküchen-Olymp aufgenommen. Eine Seltenheit, denn »zuletzt verzeichnete die Auswahl 2008 mehr als einen Neuzugang auf dem kulinarischen Gipfel«, so die Veranstalter. In diesem Jahr kommt nun das »Restaurant Haerlin« in Hamburg dazu. »Mit perfekten Kompositionen aus Top-Produkten in hervorragender Balance sind hier drei Sterne zweifelsfrei verdient«, hieß es zur Auszeichnung von Küchenchef Christoph Rüffer von den Inspekteurinnen und Inspekteuren. In München darf sich das »Tohru in der Schreiberei« über drei Sterne freuen. »Mit eigener Handschrift und feinfühliger Stilistik gelingt ihm eine äußerst spannende Verbindung von japanisch inspirierter und klassisch-französischer Küche«, erklärten die Inspekteure und würdigten Küchenchef Tohru Nakamura, der im vergangenen Jahr mit zwei Sternen ausgezeichnet worden war.
Neben den beiden haben zehn weitere Restaurants drei Sterne: das »Rutz« in Berlin, »Bareiss« und »Schwarzwaldstube« in Baiersbronn (Baden-Württemberg), »Jan« in München sowie »Es:senz« in Grassau (Bayern), »The Table« in Hamburg, das »Aqua« in Wolfsburg (Niedersachsen), in Rheinland-Pfalz das »Waldhotel Sonnora« in Dreis und das »Schanz. Restaurant« in Piesport sowie im Saarland »Victor’s Fine Dining by Christian Bau« in Perl.
Die Inspektoren des »Guide Michelin« haben zudem 47 Restaurants mit zwei Sternen bewertet. Insgesamt fünf neue Restaurants dürfen sich künftig mit der Auszeichnung schmücken. 282 Spitzenküchen wurden mit einem Stern – davon 30 neu – bewertet.
33 Küchen mussten einen oder mehrere Sterne abgeben, weil sie geschlossen oder ein neues Konzept haben oder sich die Qualität verschlechtert hat.
In Deutschland sind etwa zwei Dutzend Tester anonym im Einsatz. Der Vergabe der begehrten Sterne liegt ein einheitliches Bewertungssystem zugrunde – egal in welchem Land. Als Kriterien gelten unter anderem die Qualität der Produkte, eine persönliche Note, das Preis-Leistungs-Verhältnis sowie eine auf Dauer gleichbleibende Qualität. (GEA/dpa)