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Freundin in Tübingen erstochen: Staatsanwalt fordert lebenslange Haftstrafe

Im Prozess gegen einen Ukrainer, der seine Freundin erstochen haben soll, wurden die Plädoyers gehalten

OLG entscheidet zu Auslieferung
Eine Statue der Justitia hält eine Waage in der Hand. Foto: David-Wolfgang Ebener/DPA
Eine Statue der Justitia hält eine Waage in der Hand.
Foto: David-Wolfgang Ebener/DPA

TÜBINGEN. Im Prozess gegen einen Ukrainer, der im vergangenen Jahr in einer Flüchtlingsunterkunft seine Freundin erstochen haben soll, wurden am Tübinger Landgericht die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung gehalten. Auch der Angeklagte äußerte sich nochmals zu der Tat.

Zusammenfassend kam Staatsanwalt Lukas Bleier zu dem Standpunkt, dass der angeklagte Ukrainer seine ehemalige Freundin geplant und heimtückisch mit sechs wuchtigen Messerstichen ermordet habe. Er führte Zeugenvernehmungen an, die den Mann als sehr impulsiv und eifersüchtig beschreiben. Sein Verhalten nach der Trennung habe sich deutlich verändert, so sei der 46-Jährige »auf alles und jeden eifersüchtig« gewesen, war extrem reizbar und sei am Tattag »wie ein gehetztes Tier« in der Flüchtlingsunterkunft hin und her gelaufen.

Weitere Hinweise, die auf eine Planung zur Tötung des Opfers hindeuten würden, fanden sich laut Bleier in manchen Chats, die der Angeklagte mit verschiedenen Bekannten geführt hatte. »Früher oder später wird sie verenden wie ein Tier« oder »ich werde sie stoppen, ich habe keine Wahl mehr« stand zu lesen. Den Aussagen des mutmaßlichen Täters, dass er erst vor seiner früheren Partnerin niedergekniet sei und mit Suizid mittels seines Jagdmessers gedroht habe, dann von ihr verlacht wurde und von einer »schwarzen Wolke« ergriffen worden sei, »wie im Nebel gehandelt« habe und auf seiner toten Ex-Freundin liegend wieder zu sich gekommen, könne man keinen Glauben schenken, da bei der ausgetretenen Blutmenge der durchtrennten Halsschlagader viel mehr Spuren auf der Kleidung des Mannes vorhanden sein müssten.

Auf Totschlag plädiert

Da der psychologische Gutachter volle Schuldfähigkeit trotz einer bestehenden Persönlichkeitsstörung attestierte, forderte Bleier eine lebenslange Haftstrafe. Der Verteidiger Dr. Benjamin Chiumento stellte nicht infrage, dass sein Mandant für die Tat verantwortlich sei. Er gab aber zu bedenken, dass die vom Angeklagten geschilderte Version mit der Selbstmorddrohung nicht völlig ausgeschlossen werden könne. Auch hier dienten Chatverläufe als Beispiel: »Ich kann nicht mehr« und »ich habe dieses Leben satt«, hatte der Ukrainer einer Bekannten geschrieben. In der teils widersprüchlichen Darstellung der Nachbarn könne kein Indiz für eine geplante Tat gefunden werden, vielmehr spreche manches für »einen affektiven Durchbruch«, so Chiumento. Zu berücksichtigen sei bei dem psychologischen Gutachten auch die kurze Zeitdauer, die zu der Einschätzung des Angeklagten geführt habe. Wenn, so der Verteidiger, in dieser kurzen Zeitspanne eine Persönlichkeitsstörung festgestellt werden konnte, dann sei diese wohl eher größer und tiefgreifender. Er plädierte auf Totschlag mit Haftstrafe im Ermessen des Gerichts.

Der Angeklagte hatte das letzte Wort. »Wir hatten echte und offene Zeugen, die die Wahrheit gesagt haben, und welche, die vor Gericht gelogen haben«, sagte der Mann in seiner Eingangsrede. In seinen weiteren, teils lautstarken, emotionalen und von vielen Bibelzitaten geschmückten Ausführungen, sieht sich der 46-Jährige als mehrfaches Opfer: Einmal vonseiten der Polizei (»Sie haben meinen Schockzustand ausgenutzt und mir die Worte verdreht, die Anklageschrift hat 32 Fehler, das ist eine Fälschung«), einmal von seiner Ex-Freundin: »Als all mein Geld verbraucht war, hat sie sich nach anderen Männern umgesehen, es gab ständig Vorwürfe, dass ich nichts habe, Erniedrigungen und Streit«. Sein Fazit zum Schluss: »Ich war ihr Sklave, sie hat mich manipuliert und versucht, mich von ihr abhängig zu machen. Nach ihrer Untreue habe ich mein Gleichgewicht verloren und bin der Eifersucht erlegen«. Seiner Ansicht nach hätten Polizei und soziale Dienste das rechtzeitig erkennen müssen, dann »wäre ein Mensch noch am Leben und einer vor dem Gefängnis bewahrt«. Der Mann bat um ein mildes Urteil. (uhl)

 

IM GERICHTSSAAL

Gericht: Armin Ernst (Vorsitzender Richter), Dr. Christian Mezger, Benjamin Meyer-Kuschmierz. Schöffen: Stephan Lundt, Dr. Kerstin Arnold. Staatsanwalt: Lukas Bleier. Verteidiger: Dr. Benjamin Chiumento. (GEA)