REUTLINGEN. In den »Katakomben« des Reutlinger Rathauses ruhen Relikte der lokalen Vergangenheit. Für die Nachwelt konserviert und sortiert sind sie in Ordnern und Alben, Kisten und Kartons, füllen Regalmeter um Regalmeter und künden von bedeutenden, aber auch alltagshistorischen Ereignissen: in schriftlicher Form und in Gestalt alter Fotografien. »Vereinzelt«, sagt Philipp Klais, »stammen unsere Lichtbilder aus dem 19. Jahrhundert« - also aus einer Zeit, da noch Glasplatten als Trägermaterial für Fotoemulsionen Verwendung fanden.
Oft sind es Postkartenmotive, die dem Betrachter regionale Sehenswürdigkeiten (von anno dazumal) vor Augen führen. Im Fundus des Stadtarchivs gibt es aber auch Landschaftsaufnahmen, Luftbilder und Personenporträts: in der Summe weit über 500.000 Impressionen. Tendenz steigend. Zumal die Kollektion - sei's durch Aufkäufe, sei's durch Schenkungen - wächst.
»Erst kürzlich«, so Stadtarchivar Klais, »haben wir eine Sammlung aus Betzingen erhalten«: Akkurat geordnet und beschriftet - was jedes Archivarenherz unweigerlich höher schlagen lässt. Ist's doch wahrlich keine Selbstverständlichkeit, dass den Hütern der Reutlinger Historie Bilder übergeben werden, bei denen sich sofort erschließt, was sie zeigen und wann die Motive wo abgelichtet wurden.
Mithin ist der stadtdokumentarisch wertvolle Neuzugang ein höchst erfreulicher. Was man im Übrigen auch von Archivar Philipp Klais sagen darf, der jüngst die Nachfolge Roland Brühls - Letzterer wurde im Sommer 2024 in den Ruhestand verabschiedet - angetreten hat und damit das Team um Chef-Archivar Dr. Roland Deigendesch, nach kurzer Stellenvakanz, zur gewohnten Personalpower zurückverholfen hat.
Übernommen hat der 30-Jährige unter anderem die zuvor von Brühl verantwortete Foto-Sammlung. Darunter Schätze in Schachteln, die erst noch gesichtet und systematisiert werden wollen. Derweil der Foto-Fundus des Stadtarchivs nach und nach digitalisiert und als Service für (Hobby-)Heimatforscher ins Internet eingestellt wird.
Überhaupt, erklärt Philipp Klais, spielt Digital-Material eine zunehmend größere Rolle. »Inzwischen«, sagt der studierte Historiker, »werden bei uns auch Festplatten oder Sticks abgegeben«, mal mehr, mal weniger sorgfältig ausgezeichnet. Doch eben das, also das weniger oder gar nicht mit Ortsbezeichnungen und/oder Daten versehene Material, gibt Rätsel auf. Oder anders ausgedrückt: Unidentifizierte Bildinhalte sind Lücken im fotografischen Gedächtnis der Achalmstadt und damit für die Nachwelt verlorene Dokumente. Was nützen einer Sammlung schließlich historische Aufnahmen von Häusern, Straßenzügen, Hinterhöfen, Kulturevents und Landstrichen, wenn sich diese nicht gesichert verorten lassen?
Kein Zweifel: Ohne Informationen über das Wer, Was, Wann und Wo sind Fotografien für die lokalhistorische Forschung wertlos. Weshalb der gebürtige Reutlinger Philipp Klais jetzt ebenso wie sein Vorgänger auf die Mithilfe der GEA-Leser hofft.
Bitte melden
Wer meint, den Aufnahmeort beziehungsweise Bildinhalt der abgedruckten Fotomotive zu erkennen, ist gebeten, sich per Mail ans Stadtarchiv zu wenden. Und zwar bitte direkt. Der Weg über den GEA, der mitunter von Lesern eingeschlagen wird, ist ein Umweg, der zu Verzögerungen führt. (GEA)
Übrigens: Das Reutlinger Stadtarchiv hat auf seiner Homepage viele weitere Fotos eingestellt, deren Geheimnisse es zu lüften gilt. Diese Bilder sind ebenso wie die Fahndungstreffer der ab sofort wieder aufgenommenen GEA-Serie in einer separaten Online-Galerie des Archivs zum Angucken und Enträtseln freigegeben. GEA)