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Graffitis: Was Reutlingen dagegen unternimmt

Zahlreiche Schmierereien stellen in Reutlingen ein großes Problem dar. Bürger und Stadt haben dadurch finanziellen Verlust. Wie die Stadt vorgeht und mit welchen Folgen Täter rechnen müssen.

Ein Graffiti in der Reutlinger Innenstadt, das den »Grauen Wölfen«, türkischen Ultranationalisten, huldigt. Durchgestrichen von
Ein Graffiti in der Reutlinger Innenstadt, das den »Grauen Wölfen«, türkischen Ultranationalisten, huldigt. Durchgestrichen von Leuten, die diese offenbar nicht mögen. Foto: Jürgen Meyer
Ein Graffiti in der Reutlinger Innenstadt, das den »Grauen Wölfen«, türkischen Ultranationalisten, huldigt. Durchgestrichen von Leuten, die diese offenbar nicht mögen.
Foto: Jürgen Meyer

REUTLINGEN. Die Meinungen gehen bei Graffitis auseinander: Manche betrachten sie als Kunst und eine kreative Art und Weise Gefühle auszudrücken, andere als Vandalismus oder hässliche, nutzlose Krakeleien. In Tübingen hat letztens die Besprühung der Platanen auf der Neckarinsel Oberbürgermeister Boris Palmer zur Weißglut getrieben. 

Sind illegale Graffitis in Reutlingen ein Problem?

Auch in Reutlingen, ist die Verunstaltung des Stadtbildes durch illegale Graffitis und Sachbeschädigungen durch Aufkleber ein zunehmendes Ärgernis. »Sie beeinflussen das Sicherheitsgefühl der Bürger negativ und gehen auch ins Geld«, sagt der Pressesprecher der Stadt Reutlingen, Dennis Koep.

Welche Kosten verursachen sie?

Insgesamt beliefen sich die Kosten für die Beseitigung der Schmierereien bei der Reutlinger Stadtverwaltung im Jahr 2023 auf rund 70.000 Euro. Dazu kommen noch weitere 80.000 Euro für Behebung sonstiger Sachbeschädigungen. »Der Schaden trifft nicht allein die Stadtverwaltung, sondern jeden einzelnen Bürger, der dies mit seinen Steuern bezahlt«, sagt Koep.

Wie viele Straftaten gab es in Reutlingen von 2019 bis 2022?

Wie aus den Zahlen der Kriminalstatistik zu entnehmen ist, gab es im Jahr 2019 74 Sachbeschädigungen durch Graffitis. 2020 stiegen sie drastisch auf 157 Fälle und 2021 beliefen sie sich auf 159. Im Jahr 2022 waren es 222. Die Zahlen für 2023 wurden noch nicht veröffentlicht.

»Eine Aufklärung der Taten gelingt meist nur, wenn man die Verdächtigen auf frischer Tat ertappt«, so die Reutlinger Polizeisprecherin Andrea Kopp. 2019 klärte die Polizei insgesamt 18 Fälle auf. Das Jahr mit der besten Aufklärungsquote war 2021 (11,3 Prozent). Es wurden sechs Tatverdächtige ermittelt, darunter zwei Jungs und ein Mädchen. Hinzu kommen ein männlicher Heranwachsender und zwei Erwachsene. Das heißt: Sechs Personen konnten 18 Taten zugeordnet werden. Somit gab es laut Polizei Wiederholungs- und Mehrfachtäter. 2022 war dagegen das Jahr mit der niedrigsten Aufklärungsquote (5,9 Prozent). Bei 13 aufgeklärten Fällen waren es 13 Tatverdächtige, darunter zwei Jungs und ein Mädchen. Hinzu kamen zwei Jugendliche, zwei Heranwachsende und sechs Erwachsene, die alle männlich waren.

Wer sind die Hauptverursacher?

In Reutlingen sind Graffitis einiger Fangruppen des SSV Reutlingen ein Riesenthema und dominieren bei den Spray-Aktionen. Hinzu komme noch, dass Fangruppen von befreundeten Klubs wie dem VfB Stuttgart sowie die Skater-Szene mit ihren Aufklebern Reutlinger Gebäude bekleben. Zu den Verursachern zählt noch die Klimabewegung "Fridays for Future". Eine weitere Gruppe ist die Antifa.

Was tut die Stadt gegen das illegale Sprayen?

Um das Problem einzudämmen, sucht die Stadt das Gespräch mit den Vertretern der Verursachergruppen auf. Hilfreich war laut Stadt auch ein Aktionstag mit dem Jugendgemeinderat, Mitgliedern des Gemeinderats und Finanzbürgermeister Roland Wintzen im Bürgerpark. »Wir setzen darauf, die Probleme in Gesprächen zu lösen«, sagt Koep.

Die Stadtverwaltung hat parallel mit den Dialogversuchen bereits 2015 begonnen, in herausgehobenen Einzelfällen - zum Beispiel, als das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof Unter den Linden besprüht wurde - eine Belohnung in Höhe von 500 Euro für Zeugenhinweise zur Ergreifung und Verurteilung der Täter auszuloben. »Wir bitten die Bevölkerung, sich an die Polizei zu wenden, wenn sie Hinweise zu Verunstaltungen und illegalen Graffiti haben«, sagt Koep. Es kam bisher in zwei Fällen zu Auszahlungen.

Außerdem stellt die Stadt zwei Flächen zur Verfügung, wo jederzeit gesprüht werden kann und fünf weitere, wo es nach Abstimmung mit den Verantwortlichen erlaubt ist.

Wenn städtische Liegenschaften von Schmierereien betroffen sind, werden Graffitis sofort beseitigt. Die Stadtverwaltung stellt dann Strafantrag wegen Sachbeschädigung und fordert auch Schadensersatz. »In jedem Fall bitten wir aber die Bevölkerung, sich sofort an die Polizei zu wenden, wenn sie solche Vorfälle beobachtet haben«, betont Koep. 

Was können Hausbesitzer tun, wenn ihr Eigentum durch Vandalismus beschädigt wird?

»Man muss bei der Polizei Strafanzeige stellen. Wir empfehlen, den Schaden nach polizeilicher Aufnahme zu beseitigen, denn eine Beschädigung zieht oft die nächste nach sich«, so Koep. Um die Beseitigung der Graffitis muss der Hausbesitzer sich selbst kümmern. Es kann gut sein, dass er dafür Geld aus eigener Tasche zahlen muss, da nicht jede Gebäudeversicherung die Kosten übernimmt.

»Eine Anzeige sowie Fotos von der Sachbeschädigung dienen als Grundlagen für eine mögliche Durchsetzung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche«, sagt die Reutlinger Polizeisprecherin Andrea Kopp. Wichtig sei es noch, den Schaden der Gebäudeversicherung zu melden. Um Sprayer abzuschrecken, könnten Hausbesitzer über die Anschaffung einer Überwachungskamera oder eines Bewegungsmelders nachdenken.

Kopp empfiehlt Zeugen, die Sprayer nicht anzusprechen. »Wir werden auch oft gefragt, wie es denn mit dem Fotografieren des Verdächtigen aussieht. Ein Foto kann natürlich für die späteren Ermittlungen hilfreich sein, allerdings ist dabei wichtig, dass man sich dadurch selbst nicht in die Gefahr einer Auseinandersetzung mit dem Täter begibt. Das gilt auch für die Frage, ob man jemanden festhalten soll. Es gibt zwar ein sogenanntes Festnahmerecht, davon sollte man aber nur Gebrauch machen, wenn es gefahrlos möglich ist.«

Mit welchen Folgen müssen Täter rechnen?

Die Polizeisprecherin erläutert: »Der Tatbestand ist in der Regel eine Sachbeschädigung. Das Strafgesetzbuch sieht hierfür eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor. Die genaue Höhe legt das Gericht anhand des jeweiligen Einzelfalls fest.« Für Jugendliche gelten mildere Strafen. (GEA)