EVENTS

Logo
Aktuell Historie

Honauer Galluskirche ist die älteste Kirche im Echaztal

Neuesten Erkenntnissen zufolge ist die Honauer St. Galluskirche das älteste Kirchengebäude im gesamten Echaztal – Dr. Michael Kienzle, Jordan Rapp und Tilmann Marstaller berichteten.

Neuesten Erkenntnissen zufolge ist die Honauer St. Galluskirche deutlich älter als das Schloss Lichtenstein, aber auch deutlich
Neuesten Erkenntnissen zufolge ist die Honauer St. Galluskirche deutlich älter als das Schloss Lichtenstein, aber auch deutlich älter als alle anderen Kirchen im Echaztal, wie ein Expertentrio im Gemeindehaus betonte. Foto: Norbert Leister
Neuesten Erkenntnissen zufolge ist die Honauer St. Galluskirche deutlich älter als das Schloss Lichtenstein, aber auch deutlich älter als alle anderen Kirchen im Echaztal, wie ein Expertentrio im Gemeindehaus betonte.
Foto: Norbert Leister

LICHTENSTEIN-HONAU. Unglaublich. Dass man annähernd zweieinhalb Stunden lang fast ausschließlich über Dachbalken referieren kann – und das auch noch interessant und spannend, wer hätte das gedacht? Der Fall war das am vergangenen Freitagabend im evangelischen Gemeindehaus von Honau. Zunächst aber bekamen die rund 30 Zuhörer von Dr. Michael Kienzle von der Uni Tübingen, Abteilung der Archäologie des Mittelalters, einen kurzen Abriss über die Herren von Greifenstein, die im Mittelalter ab dem späten 12. Jahrhundert bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle im Echaztal spielten (wir berichteten).

Am Freitagabend berichteten (von links) Dr. Michael Kienzle, Jordan Rapp und Tilmann Marstaller über die Erkenntnisse, die sich
Am Freitagabend berichteten (von links) Dr. Michael Kienzle, Jordan Rapp und Tilmann Marstaller über die Erkenntnisse, die sich im Dachgebälk der Honauer St. Galluskirche fanden. Foto: Norbert Leister
Am Freitagabend berichteten (von links) Dr. Michael Kienzle, Jordan Rapp und Tilmann Marstaller über die Erkenntnisse, die sich im Dachgebälk der Honauer St. Galluskirche fanden.
Foto: Norbert Leister

Die Verbindungen zwischen Adel und Kirche seien damals groß gewesen, betonte Kienzle. Welche Rolle die St. Galluskirche in Honau dabei spielte, sei aber noch nicht klar – »Tilmann Marstaller und ich sind vor drei Jahren ganz arglos in die Kirche reingegangen«, berichtete Kienzle. Was am Freitag dann präsentiert wurde, hat das Publikum dann doch erstaunt: »Bisher sind wir immer davon ausgegangen, dass die älteste Kirche im Echaztal in Unterhausen steht«, sagten Mitglieder des Geschichts- und Heimatvereins Lichtenstein.

Wie es aber tatsächlich zu der Erkenntnis kam, dass die Galluskirche aus dem Jahr 1349 stammt? Das war zum einen Jordan Rapp zu verdanken, der als Student die Archäologie des Mittelalters an der Tübinger Universität seine Bachelorarbeit über die Galluskirche geschrieben hat. »Schriftliche Nachweise zu der Kirche waren nicht sehr ergiebig«, sagte Rapp. Bildquellen habe es erst ab dem 19. und 20. Jahrhundert geben, auch dort ergaben sich keine Rückschlüsse auf den Bau. Erst eine Bauaufnahme mit 3D-Scans und vor allem die dendrochronologischen Probeauswertungen dem Gebälk der Kirche brachten dann unerwartete Ergebnisse, wie auch Tilmann Marstaller als Lehrbeauftragter der Uni Tübingen über die Archäologie des Mittelalters betonte.

Eichenholz, das im Winter 1348/49 geschlagen wurde

Durch die Holzartenbestimmung sei nicht nur das Alter bestimmbar gewesen, sondern auch die Holzart: Zunächst sei vor allem Eiche im Dachgebälk der Galluskirche verwendet worden. Das Alter von 1349 könne so genau bestimmt werden, weil die dendrochronologische Bewertung der Eichenbalken auf den Einschlag im Winter 1348/1349 hinwiese. Und die Verarbeitung habe laut Marstaller sehr schnell vor sich gehen müssen. Vier Bauphasen sind nach den Erkenntnissen von Jordan Rapp in der Galluskirche erkennbar: Die erste im Jahr 1349, die zweite 1355, die dritte 1785 und die letzte 1846 – wobei in den beiden letzten Phasen Fichte und Tanne verwendet wurden.

Das wiederum, so betonte Marstaller, zeige auf, dass in jenen Jahrzehnten kaum mehr Holz im Echaztal zu finden war. Denn: Die Flößerzeichen an den Balken aus dem 18. und 19. Jahrhundert würden eindeutig beweisen, dass die Stämme aus dem Schwarzwald kamen. »Die wurden den Neckar abwärts bis nach Tübingen geflößt und dann mit Ochsenkarren nach Honau gebracht«, so Marstaller. »Das war eine unglaubliche Schinderei.« Doch damit nicht genug: Auf die gleiche Art war Flößerholz bis nach Engstingen und Gomadingen transportiert worden.

Doch zurück nach Honau: Ähnliche Dachkonstruktionen wie in der Galluskirche finden sich laut Tilmann Marstaller auch am Kloster Bebenhausen, in Münsingen in der St. Martinskirche, in der Freiburger Augustinerkirche und selbst im Gebälk des Tübinger Tors in Reutlingen. Alle Gebäude seien um die Zeit von 1330 bis 1350 entstanden – »das war damals alles auf der Höhe seiner Zeit«, so Marstaller.

Die damaligen Machtverhältnisse liegen im Dunkeln

Mit der Erkenntnis, dass die Galluskirche so alt ist, seien aber beileibe nicht alle Geheimnisse gelüftet. Wie die Kirche im Innern damals tatsächlich ausgesehen hat, wisse im Moment noch niemand. »Wie das Dachgebälk am Fußpunkt aussah, können wir nicht sagen.« Um das herauszufinden, müsste der Kirchenboden aufgegraben werden.

Völlig im Dunkeln ist laut Michael Kienzle zudem, wie die Machtverhältnisse zur Zeit des Kirchenbaus waren. »Es ist eine spannende Frage, wie das Gebäude in das Machtgefüge damals einzuordnen ist – trotz akribischer Arbeit kratzen wir mit unseren Erkenntnissen gerade mal an der Oberfläche.« Und Tilmann Marstaller mutmaßte: »Vielleicht haben die Greifensteiner mit dem Bau der Galluskirche begonnen und die Reutlinger haben sie vollendet.« Die weiteren Forschungen im Greifenstein-Projekt werden wohl weitere Erkenntnisse ans Tageslicht fördern. Mehr Informationen dazu gibt es unter www.greifenstein-projekt.de.