REUTLINGEN. Klassisch auf dem Friedhof beerdigt zu werden, ist für viele noch immer der normale Weg – und gesetzlich auch der Regelfall. Zwar sind Seebestattungen oder Naturbestattungen inzwischen erlaubt, doch die sogenannte Friedhofspflicht gilt in fast allen Bundesländern weiterhin. Eine Ausnahme bildet nur Bremen: Dort darf die Urne unter bestimmten Bedingungen auch auf Privatgrund beigesetzt oder sogar zu Hause aufbewahrt werden. Braucht es solche Freiheiten auch anderswo – oder hat die Friedhofspflicht weiterhin ihren Platz? Wir haben die Abgeordneten aus der Region gefragt, wie sie dazu stehen – und ob sie Reformbedarf sehen.
Dr. Dorothea Kliche-Behnke (SPD)
»Die Frage nach der Lockerung der Friedhofspflicht berührt zentrale Aspekte von Selbstbestimmung, Tradition und Pietät«, findet Kliche-Benke, SPD-Abgeordnete für Tübingen im Landtag von Baden-Württemberg. Doch angesichts veränderter gesellschaftlicher Wertvorstellungen ist sie dafür, »von der Friedhofspflicht abzukommen, um Angehörigen und Verstorbenen mehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten beim Umgang mit der Asche zu ermöglichen«.
Konkret sagt sie: »Ich bin dafür, das Verstreuen der Asche Verstorbener zu legalisieren und individuelle Bestattungsformen zuzulassen. Dazu gehört die Möglichkeit, einen Teil der Asche für Erinnerungsgegenstände zu entnehmen, um einen persönlichen Trauerprozess zu ermöglichen«. Der Schutz vor Missbrauch müsse dabei jedoch stets gewährleistet bleiben – etwa vorbeugend durch schriftliche Verfügungen der verstorbenen Person und die Benennung einer verantwortlichen Person zur Totensorge.
Joachim Steyer (AfD)
»Ja, ich befürworte eine Lockerung der Friedhofspflicht. Und auch die Möglichkeit, die Asche verstorbener Angehöriger außerhalb von Friedhöfen zu beerdigen, sollte meines Erachtens jedem offenstehen«, gibt der AfD-Landtagsabgeordnete Joachim Steyer bekannt. In diesem Sinne begrüße er auch die geplanten Änderungen am Bestattungsrecht in Rheinland-Pfalz, die in den nächsten Wochen im Landtag beraten werden sollen. Diese hätten in seinen Augen »Vorbildcharakter«. »Fragen der persönlichen Freiheit der Verstorbenen und ihrer Angehörigen sollen hier zukünftig eine deutlich größere Rolle spielen«, so Steyer. Auch der Kostenfaktor, der bei einer traditionellen Sarg- oder Urnen-Beerdigung für viele finanziell schwächere Familien eine echte Belastung sein könne, werde damit abgemildert. Für ihn ist also ganz klar: »Eine solche Flexibilisierung aller Möglichkeiten würde ich auch in Baden-Württemberg begrüßen«.
Thomas Poreski (Grüne)
»Tradition ist ein Punkt, der das Thema anspruchsvoll macht«, räumt Thomas Poreski, MdL und Vertreter des Landtagswahlkreis Reutlingen, ein. »Dazu spielen aber auch gesundheitliche, ökologische, ökonomische sowie religiöse Hintergründe eine Rolle«. Im November habe es von Seiten des Sozialministeriums ein Fachgespräch mit Beteiligten rund um das Bestattungswesen gegeben. Dabei habe sich ein »mehrheitlicher Wunsch und eine Einigung über eine Reform des Bestattungsgesetzes« gezeigt. »Uns in der Fraktion ist es wichtig, dass die bedeutsame Frage nach der letzten Ruhestätte dem Thema angemessen behandelt wird«, so Poreski. So wichtig, dass die Grüne die Reform des Bestattungsgesetzes in ihr Wahlprogramm für die Landtagswahl 2026 aufnehmen möchten.
Manuel Hailfinger (CDU)
»Den Wunsch, die Asche Verstorbener außerhalb eines Friedhofs bestatten zu wollen, kann ich nachvollziehen«, sagt Manuel Hailfinger, CDU-Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Hechingen-Münsingen. Jedoch stelle die Friedhofspflicht sicher, dass Verstorbene an einem öffentlich zugänglichen Ort bestattet werden, der für alle Angehörigen und Freunde zugänglich ist. »Die Bestattungskultur der gemeinsamen Trauerverarbeitung wird damit geschützt«, resümiert Manuel Hailfinger. »Das Parlament habe sich sowohl 2014 als auch 2022 beraten. Ein Änderungs- beziehungsweise Anpassungsbedarf wurde nicht gesehen«.
Rudi Fischer (FDP)
»Ich befürworte eine Lockerung der Friedhofspflicht. Gleichzeitig sehe ich auch die Notwendigkeit, diese so auszugestalten, dass weder neue, noch traditionelle Bestattungsformen benachteiligt werden und für die Menschen eine echte Wahlfreiheit besteht«, sagt MdL Rudi Fischer. Bereits seit zwei Jahren beschäftige er sich mit dem Beerdigungsrecht. Neben Experten habe er sich auch mit Kritikern zur Aufhebung der Friedhofspflicht und weiteren Themen wie Asche-Ausbringung und Reerdigung ausgetauscht.
»Ich stehe für eine Liberalisierung des Beerdigungsrechts, die aber klaren Regeln folgt. Bei einem so sensiblen Thema müssen wir vorsichtig agieren und alle kulturellen Formen der Bestattung berücksichtigen«, so der FDP-Politiker. ((GEA)