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Reutlinger Metzgerstraße: Bartscheren im Biosphären-Idyll

Die Biosphären-Manufaktur hat eine Chance und ist eine Chance für die Metzgerstraße - wenn die Stadt dort den Autoverkehr aussperrt.

Autofahrer versuchen immer wieder den Poller zum umfahren, der die Metzgerstraße blockiert.
Autofahrer versuchen immer wieder den Poller zum umfahren, der die Metzgerstraße blockiert. Foto: ad
Autofahrer versuchen immer wieder den Poller zum umfahren, der die Metzgerstraße blockiert.
Foto: ad

REUTLINGEN. Auf dem Trottoir parkende Autos. Verkaufsständer, die großzügig Gehwege minimieren. Rüpel, die über den Gehweg den Poller umfahren, der den Durchgangsverkehr blockieren soll. Abgasgeruch: Die Metzgerstraße entwickelt sich nicht zum Guten. Und während sich Ordnungsamtsmitarbeiter in der benachbarten Wilhelmstraße an dekorativen Blumentrögen abarbeiten, scheint in der nur ein paar Meter parallel verlaufenden Straße alles erlaubt zu sein.

Im Hinterhof zu Reutlingens Haupt-Flaniermeile hat sich eine Monokultur entwickelt. Dominant darin: ein Dutzend Barbershops und Friseure. Man bekommt dort aber auch Nägel, Handys und alte Kleider repariert sowie Schlüssel nachgemacht. Kurz: Das wird spannend, wenn nun ins Herz der Barbershop-Meile die Biosphären-Manufaktur einzieht. Die Metzgerstraße war gar als »Biosphärenstraße« im Gespräch. Doch derzeit verschieben die Initiatoren die Achse vom Ausstrahlort vorsichtshalber lieber gen Weibermarkt, Wilhelm- und Kanzleistraße.

Entwicklung zur C-Lage

Die CDU-Fraktion hat unlängst in einer Pressemitteilung den Standort gänzlich infrage gestellt. Habe sich doch die Metzgerstraße in den letzten fünf Jahren »leider zur C-Lage entwickelt«. Annähernd 30 inhabergeführte Geschäfte seien verschwunden.

Das ist ein Jammer, denn das Sträßchen hat so viel Potenzial. Doch Verwaltung und Politik – auch die CDU – haben es seit Jahren sträflichst vernachlässigt. Zuvor hatte man lange um die Verkehrsführung gestritten, die in die halbherzige Poller-Lösung mündete. Die frühzeitige weitgehende Verbannung von Kfz-Verkehr wäre ein Ansatzpunkt gewesen, der Straße auf die Beine zu helfen. Der meiste Verkehr dort ist ohnehin völlig überflüssig: Die Fahrbahn wird vor allem gegen Abend fast ausschließlich von Menschen genutzt, die gern ihr Auto zeigen. Und für die ein Gehweg nur ein freier Parkraum vor der Imbissbude ist. Die Metzgerstraße braucht Veränderung, integrationsfördernde Durchmischung, Vielfalt statt Monokultur.

Die Biosphären-Manufaktur ist eine Chance für Veränderung: Auch weil sie endlich wieder Rampenlicht auf die vergessene Straße richtet. Ohne eine Verkehrslösung wird die Halle allerdings eine Insel bleiben, wenn den Weg zu Weibermarkt und Wilhelmstraße weiter Autos passieren dürfen.

Das gilt für viele Bereiche unserer schönen Altstadt: Viele Gassen und Plätzchen dürfen ihre Reize nicht entfalten, weil sie von Verkehr und parkenden Autos zerschnitten sind. Es wird spannend, ob Verwaltung und Politik endlich den Mumm aufbringen, den Strukturwandel und damit größere Veränderungen anzugehen – oder nur weiter ’rumkleckern.
andrea.glitz@gea.de