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Tübinger Bäcker diskutiert mit Bundeskanzler in ARD-Sendung

Im ARD-Morgenmagazin hatte der Tübinger Bäckermeister Hermann Leimgruber die Chance, sechs Minuten lang mit Bundeskanzler Olaf Scholz zu sprechen. Im persönlichen TV-Interview mit dem SPD-Politiker kritisiert er: Ein steigender Mindestlohn würden die Brezeln deutlich teurer machen. Wie er das begründet und was der Kanzler entgegnet.

Handschlag nach dem verbalen Schlagabtausch zwischen dem Tübinger Bäcmermeister Hermann Leimgruber (rechts) und Bundeskanzler Ol
Handschlag nach dem verbalen Schlagabtausch zwischen dem Tübinger Bäcmermeister Hermann Leimgruber (rechts) und Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: ARD
Handschlag nach dem verbalen Schlagabtausch zwischen dem Tübinger Bäcmermeister Hermann Leimgruber (rechts) und Bundeskanzler Olaf Scholz.
Foto: ARD

BERLIN. Einmal dem Bundeskanzler ein Anliegen persönlich vorbringen: diese einmalige Gelegenheit hatte der Tübinger Bäcker- und Konditormeister Hermann Leimgruber. Am Dienstagmorgen durfte der 68-Jährige im ARD-Morgenmagazin Olaf Scholz in einem neuen Bundestagswahl-Format der TV-Sendung sechs Minuten lang interviewen. Sein Anliegen: Die Sozialabgaben für Arbeitgeber, unter anderem für den Mindestlohn, und die Sozialausgaben des Staates seien zu hoch. »Die Politik unterstützt immer die, die - ich sage mal salopp - nichts tun. Und bei denen, die viel schaffen, nimmt man was weg. Das ist unfair.«

Leimgruber ist Inhaber der Tübinger Café Lieb und beschäftigt etwa 120 Mitarbeiter. Die von Scholz und der SPD geforderte Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro sieht er kritisch. 17 Prozent mehr Lohnkosten würde das in seinem Betrieb verursachen, rechnet der Bäckermeister vor. Auf ein Produkt heruntergebrochen hieße das: Eine Brezel müsste statt 95 Cent dann 1,15 Euro kosten. »Das ist zu viel und kaum umsetzbar.«

Bäckermeister aus Tübingen hält dagegen

Scholz zeigte Verständnis für die Sorgen des Unternehmers, verteidigte jedoch die Anhebung des Mindestlohns und die Sozialpolitik der Regierung. »Wer heute den Mindestlohn verdient, kommt auf etwa 2.200 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche. Davon kann man gerade mit Kindern nicht gut leben«, erklärte der Kanzler. Er betonte, dass die Regierung in den vergangenen Jahren Steuerentlastungen und niedrigere Sozialversicherungsbeiträge für Geringverdiener eingeführt habe, um die Nettolöhne zu erhöhen. Er verwies zudem auf staatliche Unterstützungsleistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld, die besonders Geringverdienern zugutekommen sollen.

Bäckermeister Leimgruber hielt dagegen. »Wenn aber unsere Produkte teurer werden müssen, zahlt der Entlastete am Ende wieder mehr für das, was er täglich braucht. Das ist ein Kreislauf, der sich fortsetzt«, kritisierte er. Zudem habe er das Gefühl, dass mit der Erhöhung des Mindestlohns versucht werde, die Sozialkassen des Staates zu füllen. Kritisch merkte er an, dass seine Mitarbeiter durch hohe »Querbeträge« zu stark belastet würden und am Monatsende zu wenig übrig hätten. Sein Appell: eine Rückkehr zu sparsamer Haushaltsführung nach dem Prinzip der »schwäbischen Hausfrau« – »Nur ausgeben, was in der Kasse ist.«

Der Kanzler widersprach. »Wir müssen dafür sorgen, dass es im unteren und mittleren Einkommensbereich zu Entlastungen kommt.« Zugleich betonte er die Notwendigkeit, mehr für die Sicherheit und andere zentrale Aufgaben zu tun: »Und das muss alles finanziert werden.«

Olaf Scholz ist »überraschend umgänglich«

Auch wenn sich Leimgruber und Scholz inhaltlich nicht einig wurden, verlief das Gespräch versöhnlich. Nachdem die vorgesehenen sechs Minuten abgelaufen waren, gaben sich beide die Hand. Der Tübinger Unternehmer zeigte sich positiv überrascht: »Ich war erstaunt, wie umgänglich unser Kanzler ist.« Vor dem Aufeinandertreffen in einem Berliner Fernsehstudio habe Scholz ihm hinter den Kulissen sogar geholfen, seine Nervosität zu überwinden: »Er war sehr nett.«

Ob Scholz ihn in manchen Punkten überzeugen konnte? »Er hat ansatzweise verstanden, worum es geht«, sagte Leimgruber und erläuterte: »Er ist halt ein SPD-Politiker und muss seine Klientel bedienen.« Viel mehr als die Aussagen in ihrem Gespräch habe ihn enttäuscht, dass der Kanzler während seiner Amtszeit »nie Tacheles geschwätzt« habe: »Von einer Führungspersönlichkeit erwarte ich, dass sie auch mal klare Ansagen macht.« (GEA)