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Aktuell Legalisierung

Tübinger Cannabis-Verein in den Startlöchern

Der erste Cannabis-Verein Tübingens will noch in diesem Jahr Cannabis anpflanzen und an die Mitglieder abgeben. Doch das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen. Viele Fragen wie etwa zum Anbaustandort noch ungeklärt.

In den Jahren zuvor –  wie hier bei einer Demonstration für die Anerkennung von Cannabis als Genussmittel im Alten Botanischen G
In den Jahren zuvor – wie hier bei einer Demonstration für die Anerkennung von Cannabis als Genussmittel im Alten Botanischen Garten in Tübingen im September 2020 – gingen noch Massen auf die Straße. Nun billigte der Bundesrat das Cannabis-Gesetz. Foto: Stanislav Schitz
In den Jahren zuvor – wie hier bei einer Demonstration für die Anerkennung von Cannabis als Genussmittel im Alten Botanischen Garten in Tübingen im September 2020 – gingen noch Massen auf die Straße. Nun billigte der Bundesrat das Cannabis-Gesetz.
Foto: Stanislav Schitz

TÜBINGEN. »Wir wollen noch in diesem Jahr anpflanzen und rechnen im November mit der ersten Cannabis-Ernte.« Marvin Klasse (23) ist Mitgründer des ersten eingetragenen Cannabis-Vereins in der Universitätsstadt (Cannabis Social Club Tübingen) und fiebert der Legalisierung entgegen. Denn ab dem ersten April tritt der erste Teil der Entkriminalisierung in Kraft. Dabei handelt es sich um den privaten Eigenanbau und Besitz.

Die Clubs dürfen erst ab dem 1. Juli anbauen. Davor müssen die Konzepte vorgelegt werden. Hierbei geht es um die Art des Anbaus oder die geplante Abgabemenge. Nach den voraussichtlichen Regeln beträgt das Mindestalter 18 Jahre, höchsten 500 Mitglieder können in einem Verein sein. Die maximale Abgabemenge ab 21 Jahren liegt bei 25 Gramm am Tag und 50 Gramm im Monat. Es besteht ein Konsumverbot in den Vereinsräumlichkeiten. »Man stellt sich eine Winzerei vor, in der man keinen Wein trinken darf. Das ist abstrus«, sagt Klasse, der in Tübingen GEO-Ökologie studiert.

Auf der Suche nach einem Standort im Landkreis

Er möchte Cannabis mit anderen Mitgliedern in umgestalteten Seefrachtcontainern anbauen. Voraussetzung dafür ist Strom- und Wasserzugang. Irgendwo im Tübinger Landkreis wollen sie ein Grundstück auf einem Feld pachten. In der Stadt wäre ein geeigneter Platz zu teuer.

Ein Seefrachtcontainer kostet im Internet zwischen 2.000 und 3.000 Euro. Dann beginnt erst die ganze Arbeit: »Die Wände müssen isoliert werden, dann muss Strom eingearbeitet werden.« Fließend Wasser, gute Erde und teure Lampen sind ebenfalls notwendig. Um etwa 50 Mitglieder monatlich versorgen zu können, »dann ist man schnell bei Anschaffungskosten von 20.000 bis 30.000 Euro«. Hinzu kommen monatliche Kosten wie Strom. Eine kostengünstigere Variante bieten hingegen die Gewächshäuser. Der Nachteil: Im Winter ist der Anbau wegen den klimatischen Voraussetzungen kaum möglich.

Klasses Vorhaben steckt noch in den Kinderschuhen. Der Club ist auf der Suche nach Mitgliedern, »die das Projekt aufbauen wollen oder Geld spenden.« Für die Idee gebe es »genug Cannabis-Enthusiasten in Tübingen – man muss sie nur erreichen«. Klasse berichtet, dass es anfangs viele Interessenten gegeben habe, aber nur wenige sind Vereinsmitglieder geworden. Da die Vereine Mitgliederlisten führen müssen und die Behörden solche Daten anfordern dürfen, ist die Scheu für manch einen doch zu groß. »Viele haben Angst, im Cannabis-Verein Mitglied zu werden, weil sie in einer Datenbank landen und wenn bei der nächsten Wahl die AfD an die Macht kommt, dann ist die Sorge einer Verfolgung zu groß.« Die Vereine müssen persönliche Daten für etwa fünf Jahre aufbewahren.

Erst nach sechs Monaten Mitgliedschaft kann man Cannabis bekommen

Zudem müssen die Clubs ein ausgearbeitetes Präventions- und Jugendschutzkonzept sowie einen regelmäßig geschulten Sucht- und Präventionsbeauftragten haben. Die Räumlichkeiten und Gewächshäuser – die mindestens 200 Meter Abstand zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Spielplätzen und Sportstätten – müssen gesichert sein. Außerdem besteht eine Dokumentationspflicht für erzeugte und abgegebene Mengen. »In konservativen Bundesländern wie Bayern wurde schon angekündigt, dass eine Kontrolleinheit eingesetzt werden soll. Söder ist extrem restriktiv, was Cannabis angeht«, sagt Marvin Klasse.

Einfach so Mitglied in einem Verein werden und sofort Cannabis beziehen, ist nicht möglich. Voraussetzung dafür ist eine dreimonatige Mitgliedschaft. Der Bezug von Cannabis ist für Touristen also kaum möglich.

Als Ziel nimmt sich der Tübinger Verein vor, »die Versorgungssituation von Cannabiskonsumenten zu verbessern. Auf dem Schwarzmarkt hat man das Problem, dass der Cannabis stark verunreinigt ist durch etwa Sand, Glassplitter oder Haarspray«. Besonders synthetische Cannabinoide, die einen gefährlichen und vor allem unvorhersehbaren Effekt, gehören zu den größten Problemen des Schwarzmarkts. Der Konsument wisse selten, was er kauft und wie hoch der THC-Gehalt ist. Marvin Klasse hat dazu einen passenden Vergleich: »Man möchte im Laden Alkohol kaufen, aber man weiß nicht, ob man Bier oder Whisky bekommt und stürzt es am Ende runter.« Für ihn sei der bewusste Konsum wichtig, der in der Folge auch gesundheitsungefährlicher ist. Die Legalisierung habe aus seiner Sicht weitere Vorteile: Der Preis werde billiger, da die Vereine keine kommerziellen Ziele verfolgen dürfen. (GEA)