REUTLINGEN. In Reutlingen ist für junge Leute nichts mehr geboten? Von wegen! Was gerne und manchmal fast mantraartig vorgetragen wird, wurde vor allem am Samstagabend aber sowas von widerlegt. Die Reutlinger Gastro-Initiative (RGI) hatte unter dem neuen Vorsitz von Kim Mylonas und Onur Sönmez erstmals zum Sommerfest in die Innenstadt geladen - eine Art kleines Stadtfest. Auch das bombastische Sommerwetter trug wohl seinen Teil dazu bei, dass in der Innenstadt am Wochenende das Leben nur so pulsierte. 22 Gastronomen hatten die RGI-Chefs für ihr Fest gewinnen können. Sie boten vor allem auf dem Marktplatz allerlei Getränke an, dazu verschiedenste Speisen; wie Gyros, Pizza, Pommes, Tacos, und mehr. Auch die Außenbereiche der an den Marktplatz angrenzenden Gastronomien waren bestens gefüllt. Angenehm: Große Wartezeiten gab's weder für Essen noch für Getränke, die Nachfrage verteilte sich gut auf die vielen Stände.
Erinnerung an den Heiligen Morgen
Es gibt - außer dem Heiligen Morgen - eigentlich kein Fest in Reutlingen, das so viele junge Menschen geballt in die Innenstadt zieht. Gelungene Premiere für das neue RGI-Leitungsteam also. Wenngleich die laute Partymusik, die schon ab dem frühen Samstagabend erschallte, manch' einem etwas älteren Besucher stellenweise eher suspekt vorgekommen sein dürfte. Auch der Star-Gast des Abends, Rapper »Fourty«, war nur den wirklich jungen Besuchern ein Begriff. Doch diese feierten ihn umso mehr, als er mit 20-minütiger Verspätung schließlich die Bühne auf dem Marktplatz betrat. Soufiane Behar, der in den vergangenen Jahren mehrere Events in Reutlingen auf die Beine gestellt hat - unter anderem das Festival »Beats & Love« im Echazhafen - moderierte das Bühnenprogramm. Behar ist einer von mehreren Reutlingern, die die glorreichen Nachtleben-Zeiten am sogenannten Bermuda-Dreieck Ecke Kanzlei-/Oberamteistraße noch selbst erlebt haben. Und die die Eventszene und das Nachtleben in der Stadt in den vergangenen Monaten und Jahren mit kleinen und großen Ideen wieder in Schwung gebracht haben.
Es ist ein zartes Nachtleben-Pflänzchen, das da in Reutlingen gerade wieder gedeiht. Doch das Sommerfest zeigt: Potenzial ist da. Nach einer Lasershow flaute das Partygeschehen auf dem Marktplatz am Samstagabend ab und verlagerte sich an die Ecke Kanzlei-/Oberamteistraße. Unter anderem die »Nullsechs«-Bar und das Modecafé Benz hatten Außenbars aufgebaut, und stellenweise gab's nur schwer ein Durchkommen - was das Heiliger-Morgen-Gefühl noch verstärkte. Hier wurde gefeiert, bis die Sperrstunde dem ersten Sommerfest-Abend ein Ende setzte. Auch manch' ein Gemeinderat war auf dem Marktplatz am Samstagabend zu sehen. Die Ratsmitglieder verfolgen das Geschehen mit Spannung - weil auch sie ein großes Interesse daran haben, dass Reutlingen für junge Menschen attraktiv bleibt und kein »Schlafstadt-Image« bekommt. Und weil sie am Ende mit ihren Entscheidungen natürlich auch die Interessen zwischen Nachtleben-Fans und teils genervten Anwohnern ausbalancieren müssen.
Der Sonntag begann, wie der Samstag geendet hatte: heiß. Fast zu heiß. So war der Andrang auf dem Marktplatz fürs Programm des zweiten Tages in der Mittagshitze eher verhalten. Ein Fest der Kulturen hatten sich die Sommerfest-Macher für diesen Tag ausgedacht, mehrere Kulturvereine aus Reutlingen hatten Auftritte in Tracht. »Besser so warm, als verregnet«, lautete das Fazit von RGI-Chef Kim Mylonas. Der sich an diesem Sonntag sehr über einen »großen Erfolg am Samstagabend« freute und von »enorm viel positivem Feedback« sprach, das ihn erreicht habe. Drei Monate Vorbereitungszeit hat die RGI-Truppe in das Fest investiert - ein Kraftakt, da alle Gastronomen ja nebenher noch ihre eigenen Betriebe am Laufen halten mussten.
Jetzt werde man das Fest nachbesprechen, sagt Mylonas. »Und dann würde ich sagen: Es sieht gut aus, dass es so etwas wieder geben wird!« Vielleicht weiter im zweijährigen Rhythmus, abwechselnd mit dem Stadtfest? Mylonas will noch nichts versprechen - wirkt aber rundum zufrieden. Auch wenn der Umsatz für alle Beteiligten am Sonntag bei etwas milderen Temperaturen sicher besser hätte ausfallen können. Auf dem Tresen des Modecafé Benz war es zur Mittagszeit sogar so heiß, dass das Bar-Team einen Hinweis aufgeklebt hatte - damit sich auch kein Gast verbrennt. (GEA)