REUTLINGEN. Nicht erst seit gestern leuchten »Ost-Ampelmännchen« in Reutlingen in Rot und Grün. Das tun sie bereits viel länger, als manche meinen könnten. Nach Auskunft des Tiefbauamtes Reutlingen wurden die ersten von ihnen bereits Anfang der 1990-Jahre installiert. Also kurz nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Die Darstellung des Fußgängers mit dem markanten Hut auf dem Kopf macht in Reutlingen demnach inzwischen schon etwa die Hälfte der rund 180 Fußgängerampeln aus.
Und es sollen noch mehr werden. Aus dem Rathaus heißt es dazu: »Auch künftig ist beabsichtigt, Neuanlagen beziehungsweise zu sanierende Anlagen mit Symboleinsätzen des ‚Ost-Ampelmännchens‘ auszustatten.« Das Tiefbauamt begründet dies auch damit, dass die Männer mit dem Hut besser leuchten und heller erscheinen, als ihre Kollegen aus dem Westen: »Der Symboleinsatz des 'Ost-Ampelmännchens' weist in der Tat eine größere Freifläche mit mehr Lichtdurchtrittsmöglichkeiten auf und ist dadurch gefühlt heller«, heißt es in der Begründung.
»Ost-Ampelmännchen« leuchten gefühlt etwas heller
Doch nicht nur »Ost-Ampelmännchen« sollen die Straßenüberquerung für Fußgänger in der Achalmstadt sicherer machen. Auch andere Motive sollen den Straßenraum bereichern. Namentlich nennt die Stadtverwaltung die beiden beliebten Figuren »Äffle und Pferdle« und folgt damit Städten wie Stuttgart, Böblingen und Tübingen, wo die beiden schwäbischen Kult-Comicfiguren bereits an einigen Kreuzungen und Überwegen ihren »leuchtenden Dienst« versehen.
In Tübingen regeln »Äffle und Pferdle« seit etwa einem knappen Jahr den Fußverkehr an der belebten Kreuzung am Lustnauer Tor. Übrigens zusammen mit »Ost-Ampelmännchen«. Beide Figuren sind nebeneinander am Ampelmast installiert. So soll es auch in Reutlingen geschehen, denn nur so entspricht es den Vorschriften. »Äffle und Pferdle« sind zwar im Land Kult, aber offiziell als Ampelmännchen nicht zugelassen. Also müssen »doppelte Signalgeber« her, so das Reutlinger Tiefbauamt. So wie bereits am Lustnauer Tor in Tübingen geschehen.
Mittlerweile gibt es auch eine Ampelfrau
In der Unistadt gibt es seit etwa zehn Jahren die Ost-Ampelmännchen. Mittlerweile sind es nach Angaben aus dem Rathaus 193 und auch in Tübingen sollen noch mehr werden. Denn die Ampelmännchen werden immer dann eingebaut, wenn eine bestehende Ampelanlage ausgetauscht werden muss.
Übrigens: Seit 1996 gibt es auch eine passende Ampelfrau zum Ampelmännchen. Sie trägt Zöpfe und einen Rock. Sowohl in Reutlingen als auch in Tübingen versehen allerdings nur ihre männlichen Kollegen ihren Dienst. Ob auch das weibliche Gegenstück in Zukunft leuchtende Dienste leisten soll, darüber hat man sich in beiden Rathäusern von Reutlingen und Tübingen offenbar noch keine größeren Gedanken gemacht. Ampelfrauen gibt es dafür in Köln, Kassel und im bayerischen Sonthofen. In Baden-Württemberg werden dagegen »Äffle und Pferdle«-Ampeln immer beliebter.
Ampelmännchen als Kultfiguren
Doch ob egal Männlein oder Weiblein, Affe oder Pferd: Für viele Menschen im Land sind die Ampelmännchen inzwischen zum Kultobjekt geworden. So sehr, dass eine Berliner Firma sie zu ihrem Geschäftsmodell gemacht hat. Sie heißt schlicht Ampelmännchen und vertreibt Fanartikel passend zu den Figuren an den Lichtzeichenanlagen, wie Ampeln im Beamtendeutsch immer noch heißen.
Doch wie kam es überhaupt dazu, dass es die kleine und kompakte Figur mit Hut bis heute gibt? In den Geschichtsbüchern ist verzeichnet: Im Jahr 1961 wandte sich der Verkehrspsychologe Karl Peglau an das Verkehrsministerium der DDR mit der Idee, alle Verkehrsteilnehmer, also auch die Fußgänger, sollten ihre eigene Ampel bekommen. Das Ampelmännchen in den Ausführungen »Geher« und »Steher« sollten die Sicherheit für Fußgänger verbessern. Es dauerte bis 1969, bis die Ost-Figuren mit Hut als offizielle Fußgängersignale in den sogenannten Lichtsignalstandard der DDR aufgenommen wurden. Sie überlebten das Ende des ostdeutschen Staates und finden sich mittlerweile auch immer häufiger im Westen.

In Europa gibt es zudem dutzende unterschiedliche Darstellungsformen von Ampelmännchen und Ampelfrauen. Lustige, dickliche Frauen leuchten beispielsweise an einigen Kreuzungen in den Niederlanden, in Dänemark sind Ampelpärchen zu sehen, in Österreich finden sich Ampelpaare, die noch ein Fahrrad mit sich führen und in der tschechischen Hauptstadt Prag gibt es sogar Ampelmännchen mit Hund. All dies hat die EU dazu veranlasst, ein Euro-Ampelmännchen zu entwerfen. Damit soll das vermeintliche Ampelmännchen-Wirrwarr vereinheitlicht werden. Ob sich die neutralen Piktogramme wirklich durchsetzen? In Reutlingen und anderen Städten hat der Siegeszug des Ampelmännchens mit Hut offensichtlich längst begonnen. (GEA)
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