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Warum schwimmt ein riesiger Koi-Karpfen im Reutlinger Markwasensee?

Koi-Karpfen sind bekanntlich teure Zuchtfische für private Gartenteiche von Liebhabern und Sammlern. Aber in freier Natur haben diese Tiere eigentlich nichts zu suchen. Dennoch schwimmt mindestens ein Exemplar im See des Reutlinger Naherholungsgebietes Markwasen. Eine GEA-Leserin wollte wissen, warum.

Wie kommt ein rieseiger Koi-Karpfen in den Reutlinger Markwasensee, wollte eine GEA-Leserin wissen.
Wie kommt ein rieseiger Koi-Karpfen in den Reutlinger Markwasensee, wollte eine GEA-Leserin wissen. Foto: dpa/picture-alliance
Wie kommt ein rieseiger Koi-Karpfen in den Reutlinger Markwasensee, wollte eine GEA-Leserin wissen.
Foto: dpa/picture-alliance

REUTLINGEN. So ein Koi-Karpfen kann bis zu 80 Zentimeter groß werden. Wer sich einen solchen Zuchtfisch für den heimischen Gartenteich zulegen möchte, muss schon etwas tiefer in die Tasche greifen. Je nach Größe, Zeichnung und Unterart kostet ein Exemplar zwischen 500 und 11.000 Euro.

Wie viel Geld der oder die Unbekannte für das Tier bezahlt hat, das bereits vor einiger Zeit in den Markwasensee ausgesetzt wurde, ist nicht bekannt. Auch nicht, woher der Fisch überhaupt stammt. Die Stadtverwaltung, die für den Markwasensee zuständig ist, weiß ebenfalls nichts über die Herkunft des Koi. Der Fisch mit den leuchtenden Farben hat sich jedenfalls zu einem stattlichen Exemplar entwickelt und ist sehr wahrscheinlich nicht der einzige seiner Art im bei den Reutlingern so beliebten Gewässer.

Mindestens ein recht stattlicher Koi-Karpfen schwimmt im Markwasensee bei Reutlingen.
Mindestens ein recht stattlicher Koi-Karpfen schwimmt im Markwasensee bei Reutlingen. Foto: Privat
Mindestens ein recht stattlicher Koi-Karpfen schwimmt im Markwasensee bei Reutlingen.
Foto: Privat

Apropos beliebt: Nicht nur Kois scheinen sich im See wohl zu fühlen, auch andere Fischarten, die dort ebenfalls nicht hingehören, erfreuen sich eines guten Lebens. Laut dem promovierten Metzinger Biologen und Experten für invasive Arten, Albrecht Gorthner, tummeln sich neben Koi-Karpfen auch zahlreiche Sonnenbarsche im See. Beide Arten schaffen Probleme für das ökologische Gleichgewicht dort. Gorthner: »Die Fische fressen zum Beispiel den ganzen Froschlaich weg.«

Über das Problem sind sich die Verantwortlichen im Reutlinger Rathaus im Klaren. Auf Anfrage des GEA heißt es aus der zuständigen Fachabteilung Natur, Umwelt, Bodenschutz: »Kritischer Aspekt der Invasion des Koikarpfens ist der Konflikt mit Amphibien, insbesondere mit einheimischen Frosch- und Salamanderarten. Der Rückgang von Wasserpflanzen und die Veränderung des Lebensraums durch Koi-Karpfen sowie als Laichräuber können die Fortpflanzung und das Überleben von Amphibien beeinträchtigen.« Weiter heißt es: »Durch seine Lebensweise und Nahrungsaufnahme beeinträchtigt der Koi-Karpfen das Ökosystem des Sees. Diese Fische sind Allesfresser und ernähren sich von Pflanzen, Insektenlarven und anderen kleinen Organismen.«

»Koi-Karpfen können die Fortpflanzung und das Überleben von Amphibien beeinträchtigen.«

Übrigens sind die ausgesetzten Fische kein Phänomen, mit dem sich nur Reutlingen gerade beschäftigt. Deutschlandweit werden immer wieder Kois in Tümpeln und Seen ausgesetzt und sorgen für die genannten Probleme in den Ökosystemen von Gewässern. Zuletzt ist ein aufsehenerregender Fall bekannt geworden, bei dem ein Unbekannter etwa 100 Koi-Karpfen in einem Teich in Bachhagel bei Giengen an der Brenz ausgesetzt hatte.

Die zentrale Frage, die sich den Behörden in allen Fällen stellt, lautet: »Was tun?« Natürlich will keine Kommune invasive Arten in ihren Gewässern. Doch so leicht herauszuholen sind sie dann auch nicht. In Bachhagel übernahm ein ausgebildeter Fischer das Herausfischen der Kois mit Netz und Kescher. In Reutlingen ist die Lage komplizierter. Während es im Stadtgebiet künstliche angelegte Seen und Teiche gibt, bei denen das Wasser abgelassen und die Gewässer gesäubert werden können, geht das beim Markwasensee nicht. Er hat keinen Ablauf.

»Diese Fische sind Allesfresser und ernähren sich von Pflanzen, Insektenlarven und anderen kleinen Organismen«

Erschwerend komme laut Stadtverwaltung hinzu: »Der Markwasensee wird derzeit von einer Biberfamilie bewohnt. Der Biber ist gemäß Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Dieser darf nicht gefährdet werden.« Mit anderen Worten: Einfach die Koi-Karpfen und Sonnenbarsche herausfischen, geht in Reutlingen nicht so einfach. Doch das Amt für Grünflächen und Umwelt arbeitet derzeit an einer Lösung und »... prüft aktuell die Möglichkeiten zur Entnahme von nicht heimischen Fischen aus dem Markwasensee, mittels Elektrobefischung.« Elektrofischen gilt laut dem Fachmagazin »Blinker« als besonders schonende Methode. Die Fische, die so eingefangen werden, tragen demnach keinerlei Schäden davon.

Die Behörden sind übrigens nicht nur in Reutlingen vom Aussetzen von Koi-Karpfen und anderer invasiver Arten ziemlich verärgert. In Österreich ist das Halten von Koi-Karpfen mittlerweile strengstens und per Gesetz reguliert. Aus dem Rathaus heißt es mit Blick auf die Fische im Markwasensee: »Dieses Beispiel zeigt deutlich, welchen Schaden, sowohl ökologisch als auch ökonomisch, das kurzsichtige Aussetzen von Zierfischen bewirken kann.« (GEA)

Wie geht Elektrofischen?

Beim Elektrofischen wird im Wasser ein elektrisches Feld erzeugt, das alle Fische, die sich darin befinden, so stark betäubt, dass sie sich zwar nicht mehr bewegen können, aber von einem Magneten zu einem bestimmten Punkt angezogen werden. Dort lassen sie sich dann ganz leicht, beispielsweise mit dem Kescher, einsammeln. Sobald der Strom abgeschaltet wird, dauert es nur wenige Sekunden, bis sich die Fische erholt haben und wieder ganz normal schwimmen können.

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