REUTLINGEN. Der Listplatz, grünes Entrée des Reutlinger Bahnhofs aus den 1950er-Jahren, war und ist immer mal wieder für Schlagzeilen gut. Ging es vor ein, zwei Dekaden vor allem darum, die kleine Parkanlage im Zuge der städtischen Erweiterung »City Nord« aufzuhübschen und optisch-funktional als Bindeglied zwischen Nord- und Innenstadt zu etablieren, sind es aktuell (klein-)kriminelle Machenschaften und ein mit ihnen einhergehendes Missbehagen, die rund ums grüne Lüngle für Gesprächsstoff sorgen.
Angenehmes Willkommen für Reisende
Vom Springbrunnen, der - weil technisch total veraltet und durch fortgesetzten Vandalismus ramponiert - 2009 stillgelegt wurde, ist heute nichts mehr zu erahnen. Und an die hitzigen kommunalpolitischen Diskussionen, die seiner Demontage vorausgingen, erinnert sich wahrscheinlich kaum noch jemand. Wiewohl sich Reutlingens Stadtparlament einst am Listplatz wortreich abgearbeitet hat.
Das Gros der Gemeinderäte betrachtete den Park nämlich als »bedeutenden urbanen Raum«, als »Visitenkarte« und als »Einfallstor für Bahn- und Busreisende«, denen die Stadt Reutlingen doch bitte schön ein ansprechend-angenehmes Willkommen mittels einer ansprechend-angenehmen Grünanlage bereiten solle.

Um diese mehrheitlich geforderte Aufwertung zu erreichen, war sogar ein Ideenwettbewerb ausgelobt, waren angehende Landschaftsarchitekten der Hochschule Nürtingen ins Boot geholt worden. Was durchaus interessante Gestaltungskonzepte hervorbrachte - von denen freilich kein einziges umgesetzt wurde. Übrigens ebenso wenig, wie das Vorhaben, den Reutlinger Listplatz eins zu eins in Fukushima zu rekonstruieren.
Architektonisches Vorbild für Fukushima
Fukushima? Jawohl! Tatsächlich schien es 1955 so, als würde das Areal zwischen Bahnhof und Karlstraße ein originalgetreu nachgebautes japanisches Pendant erhalten: weil eine Delegation aus Nippon bei einem Reutlingen-Besuch für den kleinen Park nebst Wasserspiel förmlich entflammt war und deshalb bei Oberbürgermeister Oskar Kalbfell um die Baupläne ersucht hatte. Kurz: Den Asiaten war’s ernst mit einer Kopie und der GEA schrieb damals, dass den Gästen das Bahnhofsgrün »am besten von allen bisher gesehenen Anlagen gefallen hatte«.
Ob das auch jetzt noch so wäre? Tja, das darf ganz entschieden angezweifelt werden. Zumal vom einstigen 50er-Jahre-Charme der Grünanlage - sieht man einmal von der Plastik des Freiburger Bildhauers Ulrich Kottenradt »Mädchen mit Füllen« ab - wenig übrig geblieben ist.
Ihre Meinung ist gefragt
Was halten Reutlinger vom Listplatz? Haben sie dort ungute Gefühle? Haben sie Ideen, wie das Bahnhofs-Entrée ohne viel Geld aufgewertet werden könnte? Was stört besonders, was kommt gut an? Diesen und weiteren Fragen rund um den Listplatz geht der GEA am Donnerstag, 21. August, 11 bis 12 Uhr am Saum der Grünanlage nach. (GEA)
Statt Entzücken hat sich an Ort und Stelle Mulmigkeit breitgemacht. Auf den Listplatz angesprochen, äußern sich Reutlinger jedenfalls in aller Regel negativ. Viele gestehen, den Park zu meiden oder ihn - wenn’s halt gar nicht anders geht - schnellstmöglich hinter, besser: neben sich zu lassen. Insbesondere in der Dämmerung und nach Einbruch der Dunkelheit wird's hier manchem nämlich etwas bang ums Herz.
Beklagt werden neben der Vermüllung des Listplatzes vor allem »zwielichtige Gestalten«. Hat sich die Grünanlage über die jahre hinweg doch schleichend zu einem Treffpunkt für Suchtkranke und Obdachlose entwickelt sowie zu einem Umschlagplatz für Drogen aller Art.
Laut Polizei wurden, wie von der GEA-Lokalredaktion Anfang Juli berichtet, im Jahr 2024 für den Einzugsbereich Listplatz/Bahnhof 408 Delikte aktenkundig. Darunter 85 Körperverletzungen und 107 Diebstähle. Allesamt Straftaten, die nicht eben zur Beruhigung der Bevölkerung beitragen, sondern bereits vorhandene diffuse Ängste weiter verstärken. So jedenfalls der Eindruck von Pressevertretern, denen in Zusammenhang mit der Filial-Schließung von »Galeria Kaufhof« vis-à-vis des Listplatzes große und größte Befürchtungen in die Blöcke diktiert wurden. Jetzt, hieß es sinngemäß, sei dieser Teil der Innenstadt vollends zum Gruselkabinett verkommen: wegen seines verratzten Bahnhofs, seiner Drogenszene und seinem toten Konsumtempel.
Schreckensszenario oder Wirklichkeit? Der GEA will's wissen und deshalb direkt mit Bahn- und Busreisenden, mit Einheimischen und Gästen in Dialog treten: Ist der Listplatz tatsächlich so schlecht wie sein Ruf? Wie empfinden Menschen die Aufenthaltsqualität zwischen Karlstraße und Bahnhof? Wo sehen sie Verbesserungsmöglichkeiten? Und haben sie vielleicht sogar Ideen, die in Zeiten knapper Kommunalkassen ohne finanzielle Anstrengungen positive Wirkung entfalten könnten? Der »Generaler« will’s wissen und macht am Donnerstag, 21. August, von 11 bis 12 Uhr, im Rahmen seiner Vor-Ort-Termine mit dem GEA-Mobil Station beim Listplatz. (GEA)