BAD URACH. So klein die Schule, umso wegweisender das Projekt: Die Wilhelmschule hat als erstes sonderpädagogisches Bildungszentrum im Bereich der Handwerkskammer Reutlingen eine Partnerschaftsvereinbarung mit Handwerksbetrieben abgeschlossen. Dieser Tage unterschrieben die kommissarische Schulleiterin Christine Preiß und die verantwortliche Lehrerin Nicole Körner sowie die Vertreter von fünf der neun beteiligten Unternehmen die Verträge. Für Michaela Lundt ist‘s ein Meilenstein: »In jedem Menschen liegt eine besondere Stärke und die findet er nur, wenn er es ausprobieren darf«, machte die regionale Ausbildungskoordinatorin für Ausbildungsbotschafter bei der Handwerkskammer Reutlingen deutlich.
»In jedem Menschen liegt eine besondere Stärke, die findet er nur, wenn er es ausprobieren darf«
Auch Bürgermeister Elmar Rebmann begrüßte das Paket, das die Wilhelmschule und die Betriebe gemeinsam mit der Handwerkskammer geschnürt hätten: Das Projekt sorge für Motivation und bringe junge Menschen in die Betriebe. Grundsätzlich klappe in Bad Urach die Zusammenarbeit von Betrieben mit den Schulen gut, so Christine Preiß. Doch gerade die Absolventen der Wilhelmschule würden nach wie vor auf Ressentiments stoßen. Dieses offizielle Projekt könne durchaus zum Abbau von ihnen beitragen. Und, was sie auch betonte: »Je partnerschaftlicher die Zusammenarbeit ist, desto leichter fällt der Übertritt in den Beruf und desto besser können die Schüler dabei begleitet werden.«
Derzeit besuchen 44 Jungen und Mädchen die Wilhelmschule, zunächst profitieren 15 Kinder der Klassen sieben bis neun von der Partnerschaft, die jahrgangsübergreifend von Klassenlehrerin Nicole Körner unterrichtet werden. Die Partnerfirmen Ensslin Kachelofenbau, Metallbau Schweizer, der Baufirma Gottlob Brodbeck, Autohaus Schneider, BeckaBeck, Gärtnerei Bader, Maler Pollak, Friseur Lonetti und Stuckateur Joachim werden über verschiedene Wege den Kontakt zu den Schülern suchen. Unter anderem werden Auszubildende ihren Beruf in der Schule und bei Elternabenden vorstellen, es werden Betriebsbesichtigungen und Praktika ermöglicht oder beteiligt sich der Betrieb an Schulprojekten. Damit soll eine Grundlage für eine angemessene Berufswahl gelegt werden, außerdem knüpfen sie persönliche Kontakte zu den Betrieben. Ziel sei es laut Michaela Lundt, eine Ausbildung beginnen zu können.
»Es interessiert nicht wo die Auszubildenden herkommen, sondern wo sie hingehen«
Ihre Hoffnung ist, dass durch die Partnerschaft bei den Betrieben mögliche Hemmschwellen abgebaut werden und die Schüler besser eingeschätzt werden können. Denn, das weiß auch die kommissarische Schulleiterin Christine Preiß: Die Absolventen der Wilhelmschule könnten durchaus in vielen Bereichen punkten, auch wenn dies nicht unbedingt in Mathe oder Deutsch sei. Das kann Benjamin Lamparth von der Firma Brodbeck nur unterstreichen, er berichtet von vielen positiven Beispielen: »Wir hatten auch schon Auszubildende ohne Schulabschluss.« Und Ausbildungs-Fachfrau Michaela Lundt weiß, was dem Handwerk wichtig sei: »Es interessiert nicht wo die Auszubildenden herkommen, sondern wo sie hingehen.«
Für Lundt ist diese Partnerschaftsvereinbarung einer Schule mit vermeintlich schwachen Schülern, die leider mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hätten, auch ein Weg die Wirtschaft zu stärken: »Was macht die denn sonst ohne Auszubildende«, bemerkt sie. Die Partnerschaftsvereinbarung ist eine Möglichkeit der Zusammenarbeit, die für Aufmerksamkeit sorgt: Nach der Vertragsunterzeichnung machte sich Michaela Lundt nach Stuttgart auf, um im Wirtschaftsministerium das Projekt vorzustellen. (GEA)