BAD URACH. Eigentlich ist Eckhard Ladner immer unterwegs. Und er ist ein Wanderer zwischen zwei Welten. In Irland zu leben, dort in seiner Funktion als Studien- und Programmleiter des europäischen Begegnungszentrum Irland (EBZ) mit verschiedenen internationalen Gruppen unterwegs zu sein, das ist die eine Seite seines Lebens. Immer wieder die Koffer zu packen, um in Deutschland Seminare und Vorträge über Irland zu halten, ist die andere, nicht weniger wichtige Facette seiner Arbeit.
Anfang Mai 2023 in Killarney, einem Städtchen von ähnlicher Größe wie Bad Urach, jedoch in Irland: Hier lebt Eckard Ladner seit 40 Jahren und bleibt doch auf der Schwäbischen Alb daheim. Es regnet mal wieder. Der 68-Jährige ist eigentlich im Ruhestand. Eigentlich. Aber als Mann der ersten Stunde des EBZ liegt ihm seine Arbeit eben zu sehr am Herzen, und so macht er einfach weiter. Er empfindet sich als Vermittler und liebt es, Beziehungsgeflechte mit deutschsprachigen Gästen und irischen Ansprechpartnern – oft auch im politischen Bereich – aufzubauen. »Es gilt, ein Verständnis für die Komplexität der Situation in Irland zu schaffen. Und die irischen Leute lieben es, wenn sie ein internationales Interesse erfahren«, erklärt der Irland-Spezialist.
Eckhard Ladner ist 1954 in Urach geboren und zusammen mit zwei jüngeren Geschwistern hier auch aufgewachsen. Er spielte gerne Handball im TSV und bleibt mit »seinen Jungs« bis heute noch in Verbindung. 1973 machte er sein Abitur am Graf-Eberhard-Gymnasium, und weil es damals noch die Wehrpflicht gab, absolvierte er die in Neustadt in Hessen, um sofort danach zu verweigern. Es folgte ein sozialwissenschaftliches Studium in Wuppertal mit Sport im Nebenfach. Es war eine relativ neue Uni, die Anfang der 70er-Jahre gegründet wurde, mit einem neuen Konzept. Damals war ein »integrierter Studiengang mit stärkerem Praxisbezug« noch Neuland. Er hospitierte in vielen verschiedenen sozialen Einrichtungen, doch es gab kein striktes Berufsbild. Irgendwie stand er in Konkurrenz zu Sozialarbeitern, Sozialpädagogen, aber auch mit Soziologen, Politikwissenschaftlern und vielen mehr. »Wir haben eine relativ breite Bildung erhalten, die es uns ermöglicht, dass wir relativ schnell Zugang zu verschiedenen Disziplinen bekommen. Wir waren also keine eingleisigen Fachidioten, sondern sehr breit aufgestellt«, blickt der Sozialwissenschaftler zurück.
Verliebt in eine Frau und ein Land
1981 absolvierte er dieses Masterstudium. Zeitgleich engagierte er sich sehr stark in der Studentenpolitik, war in der Kommission als Studentischer Vertreter, und machte sich zum Ziel, den Einfluss der Studenten zu verstärken. Er ging aber damals schon auf die Straße und demonstrierte gegen Atomkraft, Cruise-Missiles, die Kurzstreckenrakete Pershing und vieles mehr. »Aber wo sollten Leute, wie ich also arbeiten? In Deutschland wäre es möglich gewesen in Bereichen der Erwachsenenbildung oder womöglich ein Promotionsstipendium zu bekommen. Das hat beides nicht geklappt«, sagt der 68-Jährige. Und dann kam es, wie es kommen musste. Bereits 1980 lernte er bei seinem ersten Irland-Aufenthalt seine spätere Frau Margaret kennen. Er verliebte sich aber nicht nur in junge Irin, sondern auch in deren wunderschönes Land.
Zwei Jahre später ist er nach Irland übergesiedelt. »Meine Freunde dachten, ich wäre ein bisschen verrückt, denn damals gab es dort eine Arbeitslosigkeit von 20 Prozent.« Er wurde zum »Wanderarbeiter«, denn er kam immer wieder für befristete Jobs als »Migrationsarbeiter« nach Deutschland. Damals wurde auch das EBZ gegründet. Ladner war an der Aufbauarbeit beteiligt. »Es galt zunächst, den Leuten verständlich zu machen, was wir tun wollten. Also Leute aus Europa herzuholen, um sich vor Ort über Kultur, Lebensbedingungen, Geschichte oder Politik zu informieren. Eingeladen wurden Gäste aus dem deutschsprachigen Raum, wie Volkshochschulen, Kirchengemeinden, Kulturvereinigungen, Geschichtsvereine.« Später folgten parallel dazu Vorträge, Seminare – beispielsweise über die Landeszentrale für politische Bildung – und Workshops zum Thema Irland in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Wenn Eckard Ladner über Irland spricht, strahlen seine Augen, und er schwärmt von der Mentalität seiner "Landsleute". Hier in Irland haben wir einen etwas anderen, entspannteren Umgang mit Zeit, aber auch miteinander", sagt er. "Die Leute sind lockerer, haben eine große Empathie und Offenheit fremden Menschen gegenüber, egal ob Flüchtlinge – die Iren erinnern sich immer noch ein wenig an eigene Geschichte, die von Emigration geprägt ist – oder Touristen. Ganz besonders die Deutschen werden in kaum einem anderen Land so wertgeschätzt." Er erzählt vom anderen Kulturkreis mit komplett anderer Geschichte als auf dem Kontinent, von einer traditionellen Sozialstruktur, sogenannten Commonages, also Gemeinschaften die es in den Dörfern und Städten gibt. Aber auch von der Liebe zur Musik und der Offenheit für Rhythmik und Stimmungswandel.
Die Liebe zur Musik verbindet den Studienleiter aber auch wieder mit seiner Heimat Bad Urach. Seit Anfang der 2000er-Jahre ist Eckard Ladner immer wieder mit der 1997 gegründeten Folk-Rock-Band »Booghk De Doo« unterwegs. Die fünf Musiker begleiten regelmäßig seine Vorträge und irischen Abende. Die Verbindung nach Hause ist nie abgebrochen und Freunde und Familie wurden regelmäßig besucht. Immer, wenn er eine Veranstaltungstour plant, liegt Bad Urach einfach auf dem Weg. Es hat sich auch ein Freundeskreis entwickelt, der regelmäßig mit ihm Reisen durch Irland unternimmt. Dass er durch seine Arbeit sein privates Hiersein so toll kombinieren kann, ist für ihn ein echtes Privileg.
Im Herzen ein echter Uracher
»Im Herzen bin ich ein echter Uracher geblieben. Hier gibt es schließlich die besten Butterbrezeln, und mei Schwäbisch hab ich auch noch nicht verlernt«, bekennt er freimütig. Er liebt seine Stadt mit dem Marktplatz und dem tollen Fachwerk. Sie hat Flair. Er mag aber auch die schönen Wanderwege, den Gütersteiner Wasserfall und den Hohenurach. Selbstredend versucht er, im Juli zum 300-Jahre-Schäferlauf-Jubiläum zu kommen. Schließlich war sein Vater Gerhard über 25 Jahre lang Schäferlaufsprecher. Auch auf die Gartenschau 2027 freut er sich jetzt schon. So schnell wird sich also nichts ändern an seiner Wanderung zwischen den Welten. (GEA)