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Zwei Blockaden am großen Demo-Tag in Reutlingen

Die Initiative »Gemeinsam für Deutschland« hat am Samstag zur zweiten Demo in Reutlingen aufgerufen. Ein breites, linkes Bündnis hat Gegen-Demos organisiert - und die Polizei war mit massivem Aufgebot vor Ort.

Rund 150 meist sehr junge Mitglieder der Antifa aus der ganzen Region blockieren die Karlstraße. Foto: Kathrin Kammerer
Rund 150 meist sehr junge Mitglieder der Antifa aus der ganzen Region blockieren die Karlstraße.
Foto: Kathrin Kammerer

REUTLINGEN. Es war ein Bilderbuch-Frühsommer-Samstag in Reutlingen: 30 Grad, Sonnenschein. Doch es prägten nicht nur Menschen das Stadtbild, die sich mit Eis erfrischten. Zwei große Demonstrationen waren angemeldet. Ein Überblick übers Geschehen. 

Die Demo. Es war der zweite Versuch des Bündnisses »Gemeinsam für Deutschland«, in Reutlingen eine große Kundgebung abzuhalten. Der erste, Ende April, war nicht ganz so verlaufen, wie es sich die Anmelder gewünscht hatten: Eine Straßenblockade von rund 400 zumeist sehr jungen Antifa-Anhängern hatte dazu geführt, dass das Bündnis, anders als geplant, durch Betzingen marschieren musste. Nun meldeten GfD-Anhänger drei Kundgebungen in Reutlingen an. Ein Schachzug, mit dem sie sich den ganzen Stadthallenvorplatz und den Bürgerpark sicherten.

Nach Polizeischätzungen rund 700 Menschen marschierten dann mit etwas zeitlicher Verzögerung über die kleine Lederstraße zum Albtorplatz, vors GEA-Pressehaus, und dann, nach einem Schlenker durch die Oststadt, wieder zurück. Viele Friedens- und Deutschlandfahnen wehten, im Gespräch mit dem GEA äußerten Demonstranten, die unter anderem auch aus Stuttgart gekommen waren, vor allem den Wunsch nach »Frieden« und einem Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine. Verachtung gegenüber der Regierung wurde laut, vor allem die Corona-Zeit und die Impfungen scheinen bei vielen für absoluten Politik-Verdruss gesorgt zu haben. Vor dem GEA gab’s dann noch einen Stopp mit einem Bashing gegen die »Systemmedien«. Wenn man weiterhin »gegen die Menschen in diesem Land« schreibe und publiziere, dann, so prophezeite der Redner Chris Barth, Herausgeber der sogenannten Bürgerzeitung Klartext, könne er sagen: »Ihr habt fertig.«

Kundgebung am Listplatz: Auch Linken-Stadtrat Rüdiger Weckmann war vor Ort. Foto: Stephan Zenke
Kundgebung am Listplatz: Auch Linken-Stadtrat Rüdiger Weckmann war vor Ort.
Foto: Stephan Zenke

Die Gegendemo. Ein breites Bündnis aus linken Gruppierungen hatte sich am Listplatz versammelt, die Polizei spricht von »in der Spitze« rund 500 Menschen. Mai, eine Sprecherin des Bündnisses »Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts Reutlingen und Tübingen«, äußerte sich zufrieden damit, dass man den GfD-Marsch beim letzten Mal gebremst hatte und versprach: »Sorgen wir gemeinsam dafür, dass sie sich den nächsten Dämpfer abholen.« Sie kritisierte, dass die Rechten »mit klassischer Nazi-Ästhetik« für »flächendeckende strikte Grenzkontrollen« mobilisieren. Auch prangerte sie an, dass die AfD, der Dritte Weg und andere Organisationen, die sich unter die GfD-Demos mischen, keine »Friedenspolitik« betreiben. Die Forderungen der rechten Parteien seien genau das Gegenteil.

Mitglieder der Seebrücke und der Omas gegen Rechts waren bei der Gegendemo, von Verdi und dem DGB, es wehten Fahnen der Linken, Regenbogen- und eine Palästinaflagge. Auch dabei: Antifa-Mitglieder, die aus Horb, Herrenberg, Stuttgart und Tübingen gekommen waren.

Die Polizei. Mit einem noch größeren Aufgebot, als bei der ersten Demo, war die Polizei im Einsatz. GEA-Informationen zufolge war mit Ausschreitungen gerechnet worden. Der ganze Stadthallen-Parkplatz stand voller Kastenwagen, Einsatzkräfte der Landes-Bereitschaftspolizei und umliegender Reviere waren vor Ort, Reiter sowie Bereitschaftspolizisten aus Hessen.

Die Blockaden. Der Gegendemo-Zug hatte sich kaum vom Listplatz wegbewegt, da stand er auch schon wieder still: Rund 150 Antifa-Anhänger hatten sich auf der Karlstraße festgesetzt – und bewegten sich keinen Zentimeter fort. Damit verursachten sie ein veritables Verkehrschaos, die Bus-System brach zusammen. Zwei Aufforderungen der Polizei, die Straße zu räumen, trugen keine Früchte. Dann schafften es Verdi-Bezirksgeschäftsführer Benjamin Stein und Linken-Bundestagsabgeordnete Anne Zerr, die jungen Demonstranten zum Weitermarsch zu bewegen. Man gestand ihnen den Rest der Karlstraße zu, bis zum ZOB – was ein publikumswirksames Bild produzierte und sie offenbar zum Einlenken bewegt hatte. Die Linken-Abgeordnete äußerte sich zufrieden: »Wir haben ein starkes Zeichen gesetzt in Reutlingen, indem wir die Straße eine Stunde lang blockiert haben. Reutlingen bleibt stabil antifaschistisch.«

Rund 700 Menschen liefen nach Polizeischätzung in der Spitze beim GfD-Demozug mit. Foto: Jürgen Meyer
Rund 700 Menschen liefen nach Polizeischätzung in der Spitze beim GfD-Demozug mit.
Foto: Jürgen Meyer

Mit großem Aufwand und strategischer Planung hatten Stadt und Polizei den ganzen Tag über versucht, ein Aufeinandertreffen der zwei Demo-Züge zu verhindern. Was am Ende fast gelang. Eine zweite, kurze Blockade der GfD-Demo, verursacht durch 15 Antifas am Albtorplatz, wurde schnell aufgelöst.

Die Extreme. Auf beiden Seiten liefen auch Demonstranten mit, die dem extremen Spektrum zuzuordnen sind. Bei Demos gegen die AfD und Rechts in der Region Neckar-Alb immer dabei: das »Offene Treffen gegen Faschismus und Rassismus für Tübingen und Reutlingen« (OTFR), das vom Verfassungsschutz Baden-Württemberg als »linksextremistisch« eingestuft wird. Einige Teilnehmer der Karlstraßen-Blockade hatten sich mit Masken und Sonnenbrillen vermummt, das Polizeirevier Reutlingen hat nun »entsprechende Ermittlungen« eingeleitet. Während der Blockade ertönte auch die Israel-feindliche Parole: »Macht die scheiß Besatzer platt, von Rojava bis Gaza Stadt.« Der Slogan »Deutsche Polizisten schützen die Faschisten« ist auf Antifa-Demos gang und gäbe.

Deutsche Jugend Voran: Eine laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextreme Gruppierung. Foto: Jürgen Meyer
Deutsche Jugend Voran: Eine laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextreme Gruppierung.
Foto: Jürgen Meyer

Unter den GfD-Tross hatten sich knapp 20 sehr junge Teilnehmer gemischt, die durch T-Shirts offen dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen waren. Beispielsweise zu »Unitas Germanica«, einer laut Verfassungsschutz im Sommer 2024 auf der Bildfläche erschienenen Gruppierung, oder Deutsche Jugend Voran. Einer trug ein Shirt mit der Aufschrift: »Eines Tages werden sie sich wünschen, wir würden nur Musik machen.« Diese Zeile stammt von der Rechtsrock-Band »Landser«, vier ihrer Mitglieder wurden 2003 als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung eingestuft. Der junge T-Shirt-Träger wurde gegen Ende der Demo von Polizisten auf dem Tross gefischt. Man habe seine »Identität festgestellt wegen eines Aufdrucks auf seinem Shirt«, heißt es aus der Polizeipressestelle. Und »man prüft nun, ob das strafrechtlich relevant ist«.

Aus Horb, Tübingen, Herrenberg und Stuttgart waren Antifa-Anhänger nach Reutlingen gekommen. Hier die Blockade der Karlstraße. Foto: Jürgen Meyer
Aus Horb, Tübingen, Herrenberg und Stuttgart waren Antifa-Anhänger nach Reutlingen gekommen. Hier die Blockade der Karlstraße.
Foto: Jürgen Meyer

Die Innenstadt. Eigentlich habe man durch die Wilhelmstraße laufen und auf dem Marktplatz eine Kundgebung abhalten wollen, sagt GfD-Anmelder Kevin Brügmann. Doch dem habe die Stadtverwaltung nicht zugestimmt. Offenbar war man im Rathaus bestrebt, das Herz der Innenstadt an diesem sommerwarmen Mai-Tag frei von Demonstrationen zu halten. Auch die linken Gegendemonstranten durften nicht auf den Marktplatz. Gastronomen berichten, dass weniger in ihren Lokalen los war, als es sonst an einem solchen Tag der Fall gewesen wäre. Auch auf der Garden Life war nach Veranstalterangaben aufgrund der »dichten« Innenstadt deutlich weniger los, als am Messesamstag vor einem Jahr – trotz strahlenden Sonnenscheins. (GEA)

Dies ist eine aktualisierte Version des Texts.