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Bäder in Not: So ist die Lage in Reutlingen

Sanierungsstau, steigende Kosten, fehlende Mittel: Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck warnt in der SWR-Sendung »Zur Sache Baden-Württemberg« vor dem Bäderkollaps. Dagegen zeigt das kleine Waldfreibad in Öschingen, was ehrenamtliches Engagement bewirken kann.

Das Freibad in Reutlingen ist das zweitgrößte in Baden-Württemberg. Es schreibt aber wie so viele andere rote Zahlen.
Das Freibad in Reutlingen ist das zweitgrößte in Baden-Württemberg. Es schreibt aber wie so viele andere rote Zahlen. Foto: Stadtwerke Reutlingen
Das Freibad in Reutlingen ist das zweitgrößte in Baden-Württemberg. Es schreibt aber wie so viele andere rote Zahlen.
Foto: Stadtwerke Reutlingen

REUTLINGEN/ÖSCHINGEN. Vielen Schwimmbädern im Land droht das Aus: Sanierungen sind überfällig, die Betriebskosten steigen rasant. Auch Reutlingen bildet hier keine Ausnahme, wie Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD) in der SWR-Sendung »Zur Sache Baden-Württemberg« zum Thema »Bäder in Not – wer rettet das Schwimmen?« deutlich machte. »Wir haben enormen Sanierungsdruck«, sagte Keck über die sieben städtischen Bäder. Notwendige Investitionen seien angesichts der angespannten Haushaltslage derzeit nicht möglich. Hinzu kämen »explosionsartig steigende laufende Kosten«. Sein Fazit: »Das macht uns fertig.«

Derzeit sei eines der Reutlinger Bäder nicht in Betrieb – wegen eines »schwerwiegenden technischen Defekts«, so Keck. Gemeint ist das Lehrschwimmbecken in Ohmenhausen. Allein die Reparatur würde rund 100.000 Euro kosten. »Das können wir uns im Moment nicht leisten.« Die nötige Grundsanierung würde sogar sieben bis acht Millionen Euro verschlingen. »Das können wir in unserer aktuellen Haushaltssituation absolut nicht stemmen«, betonte Keck.

Förderung des Landes bringt Reutlingen wenig

Der Sanierungsbedarf resultiert auch aus dem hohen Alter vieler Anlagen: Das Achalmbad etwa wurde 1929 im Bauhaus-Stil erbaut. »Der Unterboden der Sauna ist derzeit nicht mehr stabil«, beschreibt Keck den Zustand. Seit Januar wird der obere Teil des historischen Bads umgebaut. Die komplette Sanierung inklusive Brandschutz und neuem Saunabereich kosten rund zehn Millionen Euro.

Der Denkmalschutz erschwere eine Sanierung, auch beim Reutlinger Freibad von 1955 – dem zweitgrößten in Baden-Württemberg. Auch hier wären bei einer umfassenden Sanierung hohe Kosten zu stemmen. Keck sei froh, dass die Bäder überhaupt am Laufen gehalten werden können. Der jährliche Betriebsaufwand liegt bei 9,5 Millionen Euro – bei Einnahmen von nur einer Million Euro. Das bedeutet: 8,5 Millionen Euro städtischer Zuschuss pro Jahr. »Das muss man erst mal aufbringen.«

Um die Kommunen zu unterstützen, stellt das Land Baden-Württemberg laut Staatssekretär Volker Schebesta (CDU) im Doppelhaushalt 2025/26 jährlich 30 Millionen Euro zur Verfügung – als Zuschuss für 33 Prozent der »anerkannten Baukosten«. Doch Keck winkt ab: Selbst wenn Reutlingen den gesamten Fördertopf bekäme, »würde das bei unserem Sanierungsstau nicht ausreichen«. Zwar lobt er die Landesförderung grundsätzlich: »Wir können davon profitieren.« Doch sogenannte Komplementärförderprogramme, bei denen die Kommunen 70 Prozent der Kosten selbst aufbringen müssen, seien in der aktuellen Lage immer weniger realisierbar. »Uns fehlen schlicht die Investitionsmittel«, so Keck. Der Sanierungsdruck werde zudem von ständig steigenden laufenden Ausgaben, etwa für Energie und Personal, verschärft. »An Investitionen denke ich derzeit gar nicht.«

Manche Schwimmbäder versuchen, sich durch höhere Eintrittspreise zu retten. Für Keck ist das keine Lösung. Schwimmen – und insbesondere das Schwimmenlernen – sei »auch eine soziale Frage«. In Reutlingen ist der Eintritt für Kinder bis sechs Jahre kostenlos, Jugendliche zahlen drei Euro, Erwachsene fünf Euro. »Und das soll auch so bleiben – wenn es irgendwie geht«, betont der Oberbürgermeister.

Waldfreibad in Öschingen trotzt der Krise

Ein ganz anderes Bild zeigt sich im Mössinger Stadtteil Öschingen, das ebenfalls im Verbreitungsgebiet des GEA liegt. Das dortige Waldfreibad hätte eigentlich schon vor über 20 Jahren geschlossen werden sollen. Doch engagierte Bürgerinnen und Bürger gründeten einen Verein – und betreiben seither ihr »Bädle« in Eigenregie. »Wenn es Probleme gibt, klingelt bei mir zu Hause das Telefon – wir sind rund um die Uhr einsatzbereit«, berichtet Rolf Seif, Vorsitzender der Freibadfreunde Öschingen.

Über 250 Ehrenamtliche leisten dort jährlich rund 3.500 Stunden – von der Kasse über die Badeaufsicht bis zum Rasenmähen. Die Stadt Mössingen übernimmt die Wasserkosten und stellt eine Schwimmmeister-Schicht. Den Rest stemmen die Freiwilligen. Als zuletzt die Beckenfolie erneuert werden musste, sammelte der Verein beeindruckende 120.000 Euro an Spenden. »Dieses Freibad ist mehr als nur eine Sportstätte – hier trifft sich das ganze Dorf«, so Seif.

Für das Aus vieler kommunaler Bäder hat er wenig Verständnis: »Deutschland ist ein so reiches Land – und dann schließt man Freibäder wegen ein paar Millionen Euro im Jahr. Das muss doch nicht sein.« (GEA)