REUTLINGEN. Im Frühjahr dieses Jahres begann ein mehrtägiger Prozess gegen zwei Sachbearbeiterinnen des Jugendamts Reutlingen wegen Unterlassung. Am Ende wurden sie vom Amtsgericht Reutlingen unter dem Vorsitz von Richter Sierk Hamann freigesprochen.
Gegen dieses Urteil hat nun die Staatsanwaltschaft Tübingen Berufung eingelegt, wie der Pressesprecher, Staatsanwalt Lukas Bleier, auf Nachfrage des GEA bestätigt. Die Staatsanwaltschaft begründet die Berufung so: »Wie bereits in der 1. Instanz beantragt, war aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine Verurteilung beider Angeklagter geboten, was nunmehr in der Berufungsinstanz ebenfalls angestrebt wird.«
Das Landratsamt Reutlingen will sich dazu nicht äußern, so die Pressesprecherin Katja Walter-Frasch, da es sich um ein laufendes Verfahren handle.
Fürsorgepflicht verletzt?
Den beiden Mitarbeiterinnen wird vorgeworfen, ihre Fürsorgepflicht verletzt zu haben. Dabei ging es um den Fall einer Mutter, die ihre zwei Kinder über lange Zeit vernachlässigt hat. Im Zuge der Verhandlung gegen die Mutter wurde auch harte Kritik am Kreisjugendamt laut und die Staatsanwaltschaft erhob Anklage. Schnell wurde in diesem Prozess klar, dass die Mutter in Sachen Kindesgefährdung kein unbeschriebenes Blatt ist. Das Sorgerecht für die älteren vier Kinder wurde ihr bereits 2014 entzogen. 2018, nach der Geburt ihres sechsten Kindes, wandte sie sich mit der Bitte um Hilfe an das Jugendamt, die diese auch gewährte. Das Hilfsangebot wurde 2021 auf Wunsch der Mutter wieder beendet – und die Kinder ihrem Schicksal überlassen. (GEA)