REUTLINGEN. Vorsorge: Ein Thema, das jeden betrifft, das viele aber gerne von sich wegschieben. Dabei ist es durchaus eine Erleichterung, wenn man sich im Vollbesitz seiner Kräfte mit diesem Thema auseinandersetzt. Zum einen für sich selbst, kann man so doch sichergehen, dass Entscheidungen, die andere für einen treffen, im eigenen Sinne sind. Aber auch für die Angehörigen ist es eine immense Entlastung, werden ihnen im Fall einer plötzlichen Erkrankung, eines Unfalls oder sogar eines Todesfalls dadurch belastende Entscheidungen erspart. Beim GEA-Vortrtagsabend, moderiert von der Teamleiterin des GEA-Eventbereichs Iris Goldack, wurde die Thematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Drei Experten informierten in einem Kurzvortag über ihren Bereich und im Anschluss hatten die rund 200 Besucher noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Dabei, so viel sei vorab verraten, war die Stimmung locker - die drei Redner hatten nicht nur viele Informationen im Gepäck, sondern sie vermittelten diese anschaulich und unterhaltsam.
Rednerin und Autorin Dr. Diana Rodekohr-Grimmig
Den Auftakt machte die Hauptrednerin des Abends, Dr. Diana Rodekohr-Grimmig, Autorin eines umfassenden Vorsorgeordners, die aus eigener Erfahrung weiß, wie schlimm es für Angehörige ist, wenn ein geliebter Mensch plötzlich stirbt und nichts geregelt ist. Sie hat innerhalb eines Jahres vier Angehörige verloren - und musste dann unterschiedlich weitreichende Entscheidungen treffen. Die eigene Vergänglichkeit, Krankheit oder Tod - das seien »unschöne Themen«, weiß Rodekohr-Grimmig, viele Menschen haben im Alltag keinen Kopf dafür, wollen sich nicht damit auseinandersetzen. »Dieses Gefühl will ich Ihnen nehmen«, sagte sie in die vollbesetzten Zuschauerreihen. »Das ist Fürsorge für die Liebsten, aber auch für die Selbstbestimmung«, machte sie deutlich. Anhand eines Vorsorgeordners kann man schon zu Lebzeiten festlegen, was einem wichtig ist.
Angefangen bei der medizinischen Versorgung, die man wünscht über Vorstellungen, wie man betreut werden will, bis hin zu Fragen, wer sich um Haustiere, die Bankangelegenheiten, den digitalen Nachlass oder die Kinder kümmert. »Viele dieser Fragen sollte man sich in der Blüte seines Lebens stellen«, ermutigte Rodekohr-Grimmig, »früher ist jetzt«. Dabei sei keinesfalls alles in Stein gemeißelt, sondern im Laufe seines Lebens müsse man die Vorstellungen gegebenenfalls anpassen. So beantwortet ein junger Familienvater die Frage nach lebenserhaltenden Maßnahmen anders als ein 90-Jähriger mit schweren Vorerkrankungen - nannte die Referentin ein Beispiel. Ein wichtiger Apsekt, den man bedenken sollte, sei stets: »Wer soll für mich entscheiden? Wem kann ich das zumuten?« Dafür solle man im Vorfeld mit Kindern, anderen Familienangehörigen oder Freunden darüber sprechen. Ein ausgearbeiteter Leitfaden gibt dafür einen umfassenden Überblick, denn vieles ist einem nicht bewusst, sei es, wann es sich lohnt, zu einem Notar zu gehen, für was eine Patientenverfügung dient und was es mit einer Generalvollmacht auf sich hat.
Der Bestatter Hostmar Flunkert
»Steben, Tod und Trauer sind leider immer noch im Tabubereich verankert«, weiß der Reutlinger Bestatter Horstmar Flunkert, der als Seniorchef als Redner im Familienunternehmen in vierter Generation aktiv ist. Er plädiert für ein normales Verhältnis zu diesen Themen, denn: »Nichts ist gewisser als der Tod«. Abschiede erlebe ein Mensch viele in seinem Leben, »das Besondere am letzten Abschied ist, dass wir ihn nicht miterleben.« Das bedeute, dass man Vorsorge treffen müsse, wenn man ihn mitgestalten wolle. Dieser Abschied sei wie ein gut gepackter Koffer: »Je voller der Koffer ist, desto leichter wird es für die Angehörigen.« Allerdings solle man ihn auf keinen Fall allein packen, sondern mit dem Partner und den Kindern gemeinsam. Auch ein Besuch beim Profi, also dem Bestatter lohne sich, er kennt sich mit Bestattungsformen, Friedhfofskultur, aber auch der finanziellen Vorsorge und den Kosten aus. Ängste, Unsicherheiten und Zweifel können so ausgeräumt werden - und im Trauerfall werden solche Details nicht zu einer zusätzlichen Belastung. Und wenn man ungewöhnliche Vorstellungen hat, kann man sicher sein, dass diese umgesetzt werden, »Mein Sarg wird einmal mit der Harley ans Grab gefahren«, verriet Flunkert in der Fragerunde einen ganz persönlichen Wunsch.
Der Fachanwalt für Erbrecht Paul Knorr
Wer bislang dachte, dass Erbecht eine trockene Materie, bestehend aus Paragrafen und Verträgen sei, der wurde vom Reutlinger Fachanwalt für Erbrecht, Paul Knorr, an diesem Abend eines Besseren belehrt. Obwohl der Abend schon fortgeschritten war, informierte der Anwalt auf derart unterhaltsame Weise, dass alle an seinen Lippen hingen. Im Eiltempo erklärte er die gesetzliche Grundlage, die Erbfolge, was eine Erbengemeinschaft ist, wann man ein Testament braucht (»eigentlich immer - außer: Streit ist erwünscht«) und wie man ein solches aufsetzt. Um juristische Begrifflichkeiten zu veranschaulichen, griff er zum Sektkühler (das Gestamterbe), und zeigte auf, wie verblüffend einfach es ist, den letzten Willen gültig festzuhalten. Braucht es doch nicht mehr als einen handschriftlichen letzten Willen mit eigenhändiger Unterschrift. Knorrs Tipp: Schwarzsehen, also das Schlimmste befürchten, und es immer so simpel wie möglich formulieren. Hilfreich sei eine anwaltliche Erstberatung, »die kostet etwa 190 Euro und ist ein gutes Invest«. Vor allem, wenn man bedenkt, wie teuer eine Streitigkeit vor dem Nachlassgericht mit anwaltlicher Vertretung im Vergleich dazu ist. Abgerundet wurde der Exkurs ins Erbrecht von Infos zum Berliner Vertag mit allen Vor- und Nachteilen, kniffligen Einzelfällen und ob man tatsächlich einen Notar braucht. (GEA)


