REUTLINGEN. Wir schreiben den 19. September 2000. Nachdem in diesem Millenniumsjahr »ein absoluter Tiefpunkt« in puncto Kreisstraßenbau erreicht worden ist, soll ab sofort kräftig ins Verkehrsnetz mit Schwerpunkt Albhochfläche investiert werden. So zu hören im Technischen Ausschuss. Derweil »die Welt« seit dem zurückliegenden Wochenende offenbar etwas schlauer ist: Jetzt weiß sie nämlich, dass es Reutlingen gibt. Dank des zweitbesten Triathleten der Olympischen Spiele in Sydney. Der Reutlinger Stephan Vuckovic ist’s, der beinahe eine Goldmedaille in die Achalmstadt gebracht hätte – »nach einer furiosen Aufholjagd«, von der sogar der Ministerpräsident begeistert ist und dies in einem Glückwunschschreiben zum Ausdruck bringt. Weit weniger begeisternd ist hingegen etwas anderes.
"Das Kunstwerk ›Der Bevölkerung‹ im Berliner Reichstag wird auf den ›steinigen‹ Beitrag aus dem Kreis Reutlingen verzichten müssen. Denn der CDU-Bundestagsabgeordnete Anton Pfeifer will die Sache absagen, nachdem ihm der Landrat nur ›Teilhilfe‹ zugesagt hat.
Wie berichtet ist nach einem Beschluss des Bundestags vom April in einem Lichthof des Berliner Reichstags ein Pflanzbeet angelegt worden, in das in großen Leuchtbuchstaben die Worte ›Der Bevölkerung‹ eingelassen worden sind. Jeder Abgeordnete des Bundestags sollte aus seinem Wahlkreis einen Zentner Erde anliefern und in besagtem Pflanzbeet ausbreiten. In der vergangenen Woche war es so weit. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse streute als erster sein Säcklein Erde aus. Auch der grüne Tübinger Bundestagsabgeordnete, Winfried Hermann, hat mittlerweile seinen Beitrag geleistet.
Anton Pfeifer hatte zwar gegen die Realisierung dieses Kunstwerks von Hans Haacke gestimmt, wollte die Entscheidung des Bundestags jedoch respektieren und hatte Landrat Dr. Edgar Wais angesichts des Beschaffungs- und Transportproblems um Hilfe gebeten. Dieser hatte dem Bundestagsabgeordneten auch einen Zentner ›steiniger Alberde‹ zugesagt, die vom Künstler gewünschte Rücknahme der Erde – falls Pfeifer aus welchen Gründen auch immer aus dem Bundestag ausscheidet – jedoch nicht in Aussicht stellen können.
Angesichts dieser Sachlage will Pfeifer auf den Wais-Vorschlag nicht eingehen, auch wenn er ihm ›viel Sympathie‹ entgegenbringe, habe ›die Gesetzgebung des Bundes ja in der letzten Zeit den Gemeinden und Landkreisen in der Tat einige schwere Brocken in den Weg gelegt‹. Nun wird das Projekt von Herrn Haacke wohl ›ohne die Steinbrocken von der Schwäbischen Alb auskommen müssen‹, schreibt Pfeifer an den Landrat." (GEA/ekü)