REUTLINGEN. Wir schreiben den 12. September 2000 und der GEA berichtet, dass das ehemalige Panzergelände (Listhof) ab sofort offizielles Naturschutzgebiet und Baubürgermeisterin Ulrike Hotz »nun amtlich im Amt« ist. Schon sechs Wochen zuvor hatte die Nachfolgerin von Professor Winfried Engels ihre Arbeit im Rathaus aufgenommen, jetzt folgte der Festakt. Also alles Friede, Freude, Eierkuchen? Man wäre beinahe geneigt, das zu bejahen. Wäre da nicht ein »unschöner Zwischenfall« an der Kreuzeiche zu beklagen.
Der ereignet sich während der Partie des SSV Reutlingen gegen den 1. FC St. Pauli. "Erst zwei, dann etwa 50 Zuschauer sollen im Block 3 das Nazi-Hetzlied ›Wir bauen euch eine U-Bahn von St. Pauli nach Auschwitz‹ gegrölt haben. Jetzt ermittelt die Polizei wegen Volksverhetzung." Obwohl das Präsidium 120 Polizeibeamte vor Ort stationiert hatte, bekamen diese offenbar "nichts von dem Zwischenfall mit. ›Wir sind an den Brennpunkten konzentriert‹, erklärt Einsatzleiter Hans-Georg Viereck. Und das bedeutet: Seine Beamten waren zwischen dem Block 4 postiert, in dem sich unter anderem auch die Reutlinger Hooligan-Szene tummelt, und dem angrenzenden Gäste-Block mit den St. Pauli-Fans.
Die Situation war brisanter als üblich, weil St. Pauli als Galionsfigur der Linken gilt und deshalb Reizfigur für die Rechten ist, von denen es im Großraum Reutlingen nicht wenige gibt. Entsprechend war laut Viereck das Polizeiaufgebot rund ums Stadion, während im als problemlos geltenden Block 3 nur Ordner waren.
Just da ertönte das Hetzlied. Seit Jahren, weiß Hans-Georg Viereck, skandieren es Rechte im ganzen Bundesgebiet, wenn St. Pauli spielt. Bei dem Täterkreis im Kreuzeiche-Stadion soll es sich nach Angaben des Einsatzleiters nicht um die polizeibekannten Hooligans handeln. Denn die waren an diesem Tag im Block 4 zugange und verhielten sich bis auf einige verbale Attacken während des Spiels friedlich.
Niemand reagierte entsprechend
Danach werden die Videoaufnahmen, die bei jedem Heimspiel gemacht werden, ausgewertet. Energisch widerspricht Viereck jetzt schon der Darstellung des SSV, bei den Störern habe es sich um ›Personen aus Leipzig und Dresden‹ gehandelt, die ›Schreier‹ seien ganz bestimmt nicht aus Reutlingen gekommen. ›Das entbehrt jeglicher Grundlage.‹ Denn eines geht nach Auskunft von Viereck aus den Videoaufnahmen hervor: In dem Bereich, in dem die volksverhetzenden Parolen gesungen wurden, standen Reutlinger.
(…) Unverständlich ist für den Polizei-Einsatzleiter vor allem eines: Hunderte von Leuten hätten die rechten Hass-Parolen gehört, aber keiner, so Viereck, ›hat gesagt: Jetzt haltet mal den Mund‹. Seitens der Polizei sind jetzt Gespräche mit den Ordnern geplant, die auf alle Blocks verteilt sind. Die sollen der Polizei künftig unverzüglich von Störungen Meldung machen, damit sofort eingegriffen werden kann." (GEA/ekü)