REUTLINGEN. Das Stadtarchiv Reutlingen erinnert mit einer kleinen Wandvitrinenausstellung vor seinen Diensträumen in Rathaus-Erdgeschoss an den Lehrer, Chronisten und Lokalpoeten Carl Bames.
Vor 150 Jahren, am 15. Februar 1875, verstarb Präzeptor Carl Bames. Rund drei Jahrzehnte hatte er als Lehrer an der Reutlinger Lateinschule, dem heutigen Friedrich-List-Gymnasium, gewirkt. Dabei muss er, so ein Nachruf, sich »bei Eltern und Schülern ein dauerndes dankbares Andenken« erworben haben. Wenn Bames bis heute in der Achalmstadt bekannt geblieben ist, so liegt das allerdings nicht an seiner langjährigen Tätigkeit als Pädagoge.
Vielmehr hat er sich als Verseschmied und Literat und vor allem mit seiner »Chronica von Reutlingen in Freud und Leid, im Festtags- und im Werktagskleid« ein bleibendes Andenken geschaffen. 1806 war Bames in Balingen geboren worden. Seine erste Lehrerstelle trat er 1830 an der Pfullinger Lateinschule an. 1846 wechselte er auf das Reutlinger Lyzeum am Weibermarkt. Hier hat er nicht nur zahllose Schüler unterrichtet, sondern unter anderem 1866 eine »Allgemeine Völkerkunde für Schule und Volk« verfasst. In der ist etwa nachzulesen, dass gemäß damaliger Sichtweise das »russische Kaiserthum« aus insgesamt neun »Provinzen« bestand, darunter »Kleinrußland oder Rothrußland (Ukraine)«. Echte Popularität erwarb Bames sich jedoch anderweitig. Hierzu weiß wiederum der Nachruf von 1875: »Seit einer Reihe von Jahren ereignete sich nicht leicht Etwas von Bedeutung in unserer Stadt, das unser Volksdichter Bamesius nicht besungen hätte.«
Mutscheltag und Schiedwecken
So entstanden zahlreiche Gedichte zu privaten und öffentlichen Feiern, Festen und Veranstaltungen. Seine Reime »Der Mutscheltag« oder »Der Schiedwecken« beispielsweise sind bis heute nicht nur viel zitiert, sondern auch eine wichtige Quelle für das Verständnis dieser Reutlinger »Institutionen«. Eine umfangreiche Sammlung seiner poetischen Werke war bereits 1857 unter dem Titel »Volksgedichte aus Schwaben von Bamesius« gedruckt worden.
Derart bekannt machte sich Bames 1859 daran, die Reutlinger Stadtchronik für das 19. Jahrhundert »in Prosa und Versen fortzuschreiben«. Er hat dies bis kurz vor seinem Tod getan. Für das Unterfangen stellte ihm, der auch als Bibliothekar tätig war, die Stadt eine bibliophile Kostbarkeit zur Verfügung. Nämlich jenen Band, in dem mehr als 200 Jahre zuvor Johannes Fizion (1573–1653) seine Reimchronik niedergeschrieben hatte. Die Stadt hatte den Folianten im Rahmen einer Stiftung zur Errichtung des List-Denkmals am Bahnhof von einem Reutlinger Privatmann angeboten bekommen.
Posthum hat noch 1875 Bames Nachfolger als Stadtchronist, der Buchhändler, Verleger und Literat Egmont Fehleisen (1847–1898), die handschriftliche »Chronica« des Präzeptors publiziert. 1920 sowie 1985 erfolgten Neuauflagen. Im Vorwort von 1920 würdigte der damalige Verleger unausgesprochen die sprachschöpferische Kraft des »biederen« Präzeptors: »Bames ist tot, aber seine Chronik und seine Verse leben, und sie werden immer eine Brücke bilden, auf der unsere Gedanken und Erinnerungen zurückwandern in Zeiten, die schöner waren als die heutigen«.
Das Stadtarchiv zeigt in seiner Ausstellung einschlägige Archivalien aus dem Schularchiv des Friedrich-List-Gymnasiums. Als Leihgabe aus der Handschriftenabteilung der Reutlinger Stadtbibliothek ist zudem der Band zu sehen, in dem vor allem die beiden Chronisten Fizion und Bames Reutlinger Stadtgeschichte niedergeschrieben und gestaltet haben. Die Archivalienschau kann bis Ende Mai zu den Öffnungszeiten der Rathaus-Eingangshalle besichtigt werden. (eg)