ZWIEFALTEN. In Riedlingen-Zell ist vorerst Ruhe eingekehrt. Am Sonntagabend war hier der Regionalexpress RE 55 entgleist, der Zugführer und ein Auszubildender sowie eine 70-jährige Reisende kamen dabei ums Leben, weitere 36 Passagiere wurden zum Teil schwer verletzt. Am Unfallort hatte sich am Montag ein unwirkliches Bild geboten. Die Unfallstelle war weiträumig abgesperrt, ein Großaufgebot der Bundespolizei riegelte das Gelände ab, die Waggons lagen noch ineinander verknäult auf und neben den Schienen, die Durchfahrtsstraße war gesperrt.
Mittlerweile ist ein Stück weit Normalität eingekehrt. Die Bahn hat die schwierigen Bergungsarbeiten im Laufe der Woche abgeschlossen, die Trümmer sind beseitigt. Ein Zug dient als Stützpunkt für die Bahnmitarbeiter, er steht etwa an der Unfallstelle. Bis die Strecke wieder befahrbar sein wird, dürfte es aber noch dauern: Der Erdrutsch, der den Zug zum Entgleisen brachte, kann schnell beseitigt werden, die Schienen sind aber kurz vor der Stelle, an der der Zug zum Liegen kam, stark verbogen.
Auf der Brücke über die Bahngleise stehen einige ewige Lichter, am Freitag sperren noch wenige Sicherheitskräfte der Bahn den engeren Bereich ab. Ein paar Handwerker sind mit kleineren Arbeiten an Geländern beschäftigt, ein Storch klappert, ansonsten herrscht Stille. Polizei, Rettungskräfte und die zahlreichen Journalisten sind abgerückt. Die Durchfahrtsstraße ist wieder freigegeben. Der Donau-Radweg, der am Rande der Schlucht verläuft, in der die Bahngleise liegen, aber noch nicht - bis Zwiefaltendorf muss ein Umweg hoch über den Berg in Kauf genommen werden. Die zahlreichen Radtouristen haben Verständnis.
Ruhe in Zell. Zwiefalten war dagegen am Freitag von Normalität weit entfernt. Im Münster Unserer Lieben Frau gab es einen Gedenkgottesdienst, die barocke Kirche füllte sich mit Angehörigen der Opfer und zahlreichen Rettungskräften in Uniform. Den ökumenischen Gottesdienst feierten Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl (Evangelische Landeskirche in Württemberg) und Bischof Klaus Krämer (Diözese Rottenburg-Stuttgart). Unter anderem nahmen Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder, der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann, Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, sowie Evelyn Palla, Vorstandsvorsitzende der DB Regio AG, teil.
Ministerpräsident Kretschmann sagte in seinem Grußwort: »Die Bilder des Unglücks haben uns alle fassungslos gemacht.« Seine Gedanken seien bei den Angehörigen und den Überlebenden. Er ging aber auch auf die wichtige Rolle der Rettungskräfte ein: Mit großer Hilfsbereitschaft, selbstlosem Einsatz und Professionalität sei der Einsatz gemeistert worden. »Unsere Gesellschaft hat sich als Gemeinschaft gezeigt, dafür bin ich dankbar.« Aber es sei schwer, die richtigen Worte zu finden, sagte er mit brechender Stimme.

Auch Bundesverkehrsminister Schnieder würdigte den Einsatz der meist ehrenamtlichen Helfer. Mut sei es, ohne Zögern zu handeln. Mut sei es aber auch, »wenn Angehörige sich dem Unfassbaren stellen und weitermachen, wenn die Welt scheinbar stillsteht«. Vertreter der Rettungskräfte, von Polizei, Feuerwehr und Notfallseelsorge legten zuvor jeweils drei rote Rosen vor dem Altar ab, auf dem drei Kerzen brannten. Schnieder, Kretschmann, Hermann und Lutz hatten jeweils drei weiße Rosen zum Altar gebracht.
Warum musste das Unglück geschehen? Warum mussten Menschen sterben? Warum wurde dieser Zug genommen? - Fragen, die Landesbischof Gohl stellte: »Ich habe keine Antwort.« »Wir sind es gewohnt, die Dinge im Griff zu haben«, sagte er weiter, aber dann geschehe das Unfassbare und » das Leben wird nie wieder so sein, wie es vorher war.« Gohl predigte über Jesaia 43,1: »Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst.« Auch wenn die Welt manchmal zum Fürchten sei. Schmerz wolle ausgehalten werden, sagte Bischof Krämer. Umso trostreicher sei es, dass im Münster über Konfessions- und Glaubensgrenzen hinweg Trost und Unterstützung gesucht und angeboten würden: »Es ist ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit, dass Sie alle heute gekommen sind.« (GEA)