REUTLINGEN. »Es klappert die Mühle am rauschenden Bach« - ein allseits bekanntes Kinderlied, das auf die alte Sägemühle in Reutlingen nicht (mehr) zutrifft. Hier klappert schon viele Jahre nichts mehr. Außer, dass Mühle und Werkstatt langsam Moos ansetzen und drohen, von den Grünpflanzen um sie herum zugewachsen zu werden. Der totale Stillstand ist mittlerweile nur noch abgelöst worden vom fortschreitenden Verfall. Das alles bleibt bei den Reutlingern nicht unbemerkt und so gingen Leserfragen beim GEA ein: »Warum tut sich da nichts?«, und »Was wird aus der Reutlinger Sägemühle?« Hier die Antworten:
Die Familie Wegst, die die Sägemühle fast genau 100 Jahre in ihrem Besitz und jahrzehntelang betrieben hatte, ist seit 12 Jahren nicht mehr Eigentümerin. 1912 hatte Johann Jakob Wegst die Wassermühle mit dem dazugehörigen Sägewerk und der Werkstatt gekauft. Hier wurden in den Jahrzehnten danach Holzbretter gesägt und zugeschnitten. Immer angetrieben durch die Kraft des großen Mühlrades, das die Wasserkraft der Echaz über Räder und Treibriemen auf das große Sägewerk im Innern der Werkstatt übertrug, und es zum Laufen brachte. Bis 1988 »klapperte es« an der rauschenden Echaz und in der Reutlinger Sägemühle.
Technik von früher
In der Zeit danach wurde die Wegst'sche Mühle, wie sie seither auch heißt, nur noch sporadisch in Betrieb genommen. Hin und wieder gab es organisierte Führungen durch die Mühlenwerkstatt, bei denen Besucher die kleine Industrieanlage mit Technik aus dem 19. Jahrhundert bewundern konnten.
Das ging so bis ins Jahr 2013, als Kurt Wegst, der Großneffe des Firmengründers, die Mühle samt dem dazugehörigen Haus verkaufte. An einen Privatmann, der das Haus direkt an der Mühle vermietete. Im Obergeschoss Wohnungen, im Erdgeschoss nahm eine Pizzeria ihren Betrieb auf. Die Mühle blieb unangestastet.

Mittlerweile ist das Haus, in dem Familie Wegst zuvor auch ihre Fahrschule hatte, komplett leer. Keine Mieter, keine Pizzeria. Leere Räume und bröckelnde Fassadenfarbe kennzeichnen das Gebäude mit den grünen Fensterläden seither. »Das ist schon sehr schmerzlich für uns«, sagte der mittlerweile über 80-jährige Kurt Wegst zum GEA.
Vor etwa einem Jahr folgte dann der erneute Verkauf des Gebäude-Ensembles: wieder an einen Privatmann, einen Mann aus Reutlingen. Zuvor hatte der Verkäufer alles auch der Stadt Reutlingen angeboten. Doch wie der GEA erfuhr, wohl zu einem Preis, der im Rathaus Kopfschütteln und Unverständnis ausgelöst haben soll. Unter der Hand wird von einem siebenstelligen Geldbetrag gesprochen. Wie viel der Reutlinger Privatmann, an den Mühle und Haus zuletzt gingen, am Ende gezahlt hat, darüber wird Stillschweigen bewahrt.
Der weitere Verfall soll gestoppt werden
Doch anders als der Vorbesitzer, will der neue Eigentümer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, Sägemühle und Haus nicht weiter verfallen lassen. In Zusammenarbeit mit der Stadt Reutlingen, die übrigens weiterhin im Besitz des Mühlrades und von Teilen der Technik sowie der Wasserrechte ist, soll an der Zukunft der alten Sägemühle gearbeitet werden. Aus dem Rathaus hieß es: »Es ist der erklärte Wille der Stadt und des neuen Eigentümers, dass hier, an historischer Stätte am Echazufer, etwas entstehen soll.« Die Worte Kultureinrichtung und kulturelle Nutzung fielen im Zuge der GEA-Recherchen.
Konkrete Pläne gibt es noch nicht. Die müssen wohl erst noch erarbeitet und entwickelt werden. Dazu hieß es aus dem zuständigen Kulturamt der Stadt: »Es wird einen runden Tisch geben, an dem wir mit dem neuen Besitzer über Ideen für die Zukunft der Sägemühle sprechen werden. Im Idealfall stehen am Ende konkrete Konzepte, die dann umgesetzt werden.« Einen Termin für Gespräche am runden Tisch gibt es noch nicht. Es könnte dem Vernehmen nach aber noch dieses Jahr welche geben.
Fazit: Alle Beteiligten schmerzt der bedauerliche Zustand der alten Sägemühle. Sie soll aus ihrem Dornröschenschlaf herausgeholt werden. Wie die Zukunft nach ihrem Erwachen aussehen soll, muss noch ausgearbeitet werden. Sie soll aber eine Zukunft haben. (GEA)
Hier können Sie fragen
Sie haben eine Frage oder eine Anregung für ein Thema? Dann schicken Sie diese per E-Mail an: leserfragen@gea.de