PFULLINGEN. So ein Reporterleben ist schon ziemlich interessant, abwechslungsreich und spannend, um es mal zurückhaltend auszudrücken. Es sind die Menschen, die den Alltag und damit die Arbeit prägen und zu etwas Besonderem machen – wie der Ameisenmann, der die Tierchen besser versteht als die Menschen. Oder die Cheerleaderin, die im Rollstuhl saß und auf tragische Weise verstarb, oder die wunderbare Geschichte einer Honauerin, die vor 50 Jahren eine Gymnastikgruppe gegründet hat und heute immer noch leitet.
Solche Begegnungen sind außergewöhnlich. Und jetzt das. Man rechnet ja mit allem Möglichen, aber ein Mammutzahn? Da liegen also Hunderttausende von Jahren auf dem Küchentisch von Doris Jerusalem, so als ob es Alltagsgeschirr wäre. Sieht unscheinbar aus, wie ein Stein. Auf der Wiese, am Strand oder sonst wo wäre man wohl einfach daran vorbeigelaufen. Die Pfullingerin hat ihn einst geschenkt bekommen.
»Den Zahn hat mein Schwiegervater in Holland am Strand gefunden und mir dann geschenkt«
Als sie am 13. September das Wochenend-Magazin des GEA durchblättert, findet sie dort eine Seite über Mammuts. Es macht Klick bei der Archäologin. »Da ist mir eingefallen, dass ich noch einen Mammutzahn habe.« Im Abstellraum wurde sie fündig. Zwei Tage später hat sie den GEA informiert.
»Den Zahn hat mein Schwiegervater in Holland am Strand gefunden und mir dann geschenkt.« Wann? »Das war in meiner Studienzeit.« Heute ist Doris Jerusalem 87 Jahre alt, also mindestens vor sechzig Jahren war das. Einen genauen Fundort kennt sie nicht, ebenso wenig wie das Datum. Nur so viel weiß sie: Sie möchte ihn loswerden. Am besten an eine Institution, die das Stück zu schätzen weiß. Nur, ist das wirklich ein Mammutzahn?
Ein Fachmann findet sich in Dr. Andreas Matzke. Der stellvertretende Leiter des Naturkundemuseums Reutlingen bestätigt. »Ja, das ist ein Elefantenzahn. Ich denke, es ist ein Backenzahn eines Mammuthus primigenius, aber ich bin jetzt auch kein Experte für so junge Tiere«, urteilt er nach der Ansicht mittels eines Fotos. Das Mammuthus primigenius oder Wollhaarmammut ist eine ausgestorbene Art aus der Familie der Elefanten. Diese Art der Mammute entwickelte sich im Übergang vom Alt- zum Mittelpleistozän vor etwa 800.000 bis 600.000 Jahren in Sibirien und bewohnte die kaltzeitlichen Steppen im nördlichen Eurasien und Nordamerika, heißt es im Online-Lexikon Wikipedia. Das nennt der Paläontologe also jung.
»Ist ein nettes Stück, aber leider schon etwas mitgenommen«
Man erkenne das an den typischen parallelen Schmelzfalten (Lamellenstruktur), die sich quer über die Kaufläche ziehen. Diese Struktur unterscheidet Mammut- und Elefantenzähne von den eher höckerigen Zähnen anderer Großsäuger. »Ist ein nettes Stück, aber leider schon etwas mitgenommen«, so Matzke. Vielleicht findet sich ja trotzdem ein Abnehmer, der den Wunsch von Doris Jerusalem erfüllen könnte und dem Backenzahn einen würdevollen Platz geben kann. (GEA)