REUTLINGEN. Manche Dinge sind nur auf den ersten Blick durch und durch schön. So wie die teilweise frisch bemalte Fassade der Eichendorff-Realschule. Denn die hübschen Stellen an der Wand sind Zeichen für die hässliche Finanzkrise des Schulträgers: Weil die Stadt Reutlingen überall den Rotstift ansetzen muss, erledigten Schüler und Lehrer kleinere Reparaturen vor den Sommerferien selbst. Wobei die Schule an der Frauenstraße kein Einzelfall oder besonders schlimm dran wäre. Der kommunale Sparzwang trifft da oder dort nämlich alle Bildungseinrichtungen.
»Die Schüler übernehmen Verantwortung für ihren Lebensraum«, beschreibt Vize-Schulleiter Sebastian Klingebiel die erfreuliche Seite der Aktion »Pimp up ERS« im Rahmen einer Projektwoche. »Du hast Ideen und Lust, mit viel Farbe und guter Laune im Freien zu malen, vielleicht sogar zu sprühen«, lockt die Projektbeschreibung zahlreiche Mädels und Jungs an Farbrolle oder Spraydose. Sehr fein findet dies das Schulleitungsteam. Das Bemerkenswerte daran, wenn Teenager und Lehrpersonal »aus Alt Neu machen«, ist die Verwischung der Verantwortlichkeiten für derlei Arbeiten.
Dringende Bedürfnisse
»Ich sehe in erster Linie den Schulträger in der Verantwortung, das Gebäude in Ordnung zu halten«, sagt Rektorin Katharina Thumm. Auf der Wunschliste der Realschule standen und stehen ausschließlich Notwendigkeiten. Thumm spricht von der Sanierung der Toiletten, erwähnt »einen nachhaltigen Hitzeschutz« in den Klassenzimmern, streift nur kurz die verschlissene Turnhalle sowie Fachrräume, um sich mit Blick fürs Gute über die baldige Reparatur des seit Jahren undichten Flachdaches vom Anbau zu freuen. Lauter Mängel, die sich kaum unter den Teppich kehren lassen, wenn es denn einen Textilbelag in den Gängen der Schule gäbe.
Dem Schulleitungsteam ist es hörbar wichtig, den Schulträger Stadt keinesfalls in die sprichwörtliche Pfanne zu hauen. »Wir arbeiten gut mit der Stadt zusammen«, beschreibt Klingebiel das Verhältnis zum Gebäudemanagement. »Die Stadt unterstützt uns im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut«, meint auch der Abteilungsleiter Oberstufe Andreas Fiesel.
Flickwerk statt Erneuerung
»Der Schulträger ist bemüht. Das ist wichtig, zu betonen«, sagt Doreen Wendt-Nordahl, Abteilungsleiterin Unterstufe. Fakt bleibt allerdings, dass sich die Eichendorff-Realschule in Not leidender Gesellschaft mit anderen Bildungseinrichtungen befindet, deren Sanierungsbedarf zwar erheblich ist, aber nicht finanziert werden kann. Folge: Flickwerk statt Erneuerung – uns zwar so lange das irgendwie halbwegs geht. »Wir versuchen, für kleinere Erleichterungen zu sorgen«, sagt die Schulleiterin. Deswegen findet sich auf der langen Liste möglicher Projektwochen-Aktivitäten wie »Märchenfilme gucken, Märchenbilder malen und basteln« über »Klettern am Seil« oder »Tanzen für den Abschlussball« eben auch »Pimp up ERS«. Drei Tage lang haben Jungs und Mädels gemalert, was auf Kleidung und Schuhen so manchen Farbspritzer hinterlassen hat. Gestrichen wurden einige Flure sowie Teile der Fassade. »Da haben die Schüler das ganze Graffiti entfernt und übermalt«, beschreibt Lehrer Sebastian Klingebiel. Spaziergängern fällt vielleicht die neu gesprühte Europakarte im Schulhof auf. Auch der Vorraum des Pausenbäckers strahlt wieder.
Sichtlich stolz und zufrieden sind Emily (15) und Ida (14), die sich bei Malerarbeiten ablichten lassen. Sie haben mitgemacht, »weil wir das interessant fanden und die Schule verschönern wollten«. Einige Schüler im Flur teilen die Begeisterung für handwerkliche Arbeit. »Wir hatten einige Schaffer-Jungs«, freuen sich die Lehrerinnen Maren Buck und Sandra Wörner, »und sehr motivierte Gruppen«. Schließlich sehe man das Ergebnis der Bemühungen direkt. Was schließlich noch weitere angenehme Effekte hat: Wer merkt, wieviel Arbeit die Entfernung von Graffiti macht, wird seine Schule vor solchen Sprühereien schützen. (GEA)