REUTLINGEN/TÜBINGEN. Wer durch die Reutlinger Innenstadt flaniert, hört sie musizieren. Ob alleine, als Familie oder in Gruppen: Straßenmusiker tragen zur Belebung der Stadt bei. Trotzdem spalten sich die Meinungen: Für manche sind sie eine Bereicherung, während andere von Lärmbelästigung sprechen. Eine GEA-Leserin wollte wissen, an welche Regeln sich Künstler halten müssen.
Im Prinzip darf jeder, unabhängig vom Alter, auf die Straße gehen und Musik machen. Es gelten aber nicht überall dieselben Regeln. Sie varieren von Stadt zu Stadt. Eine Genehmigung, um in Reutlingen oder Tübingen auftreten zu können, benötigen Musiker nicht. Auch müssen sie nicht ihr musikalisches Können unter Beweis stellen. Anders ist es in München, wo ein erfolgreiches Vorspiel im Rathaus eine Bedingung ist, damit Straßenmusiker auf öffentlichen Plätzen auftreten dürfen. In Reutlingen »klärt sich das von alleine«, so Ordnungsamtsleiter Albert Keppler. Wenn's den Leuten gefällt, klappern die Münzen. Wer nichts Gutes abliefere, gehe leer aus und komme nicht wieder. Auch in Tübingen entscheidet die Stadt nicht über die Qualität der Musik.
Belebung der Stadt
Reutlingen begrüße Straßenmusik, betont Keppler. »Es ist eine gute Sache und ein Zeichen für Urbanität. Denn Straßenmusiker bevorzugen Orte, wo etwas los ist«, fasst er zusammen. Alle 20 Minuten müssen sie ihren Standort wechseln. »Das können manche Passanten nicht nachvollziehen«, berichtet Keppler. Für den Standortwechsel gibt es aber einen bestimmten Grund: »Stört einen Passanten die Musik, kann er weitergehen, dasselbe trifft aber nicht auf Geschäftsleute und Anwohner zu.« Wer sich an den Standortwechsel nicht hält, wird vom Vollzugsdienst angesprochen und bekommt einen Platzverweis. Rührt sich der Angesprochene trotzdem nicht vom Fleck, muss er mit einem Bußgeld von etwa 55 Euro rechnen.
Anders als in Tübingen wird den Musikern in Reutlingen nicht vorgeschrieben, zu welchen Uhrzeiten sie aktiv sein dürfen. Allerdings muss die Mittagsruhe beachtet werden. Die meisten würden gegen 10.30 Uhr anfangen und seien aktiv, solange in der Stadt etwas los sei, berichtet Keppler. In Tübingen dürfen Straßenmusiker erst ab 11 Uhr loslegen. Dort darf nur zur vollen Stunde und für 30 Minuten musiziert werden. Werktags darf man zwischen 11 und 20.30 Uhr auftreten, auf dem Holzmarkt nur bis 19.30 Uhr.
Standortwechsel erforderlich
Etwas kürzer sind die Auftritte in Reutlingen. Eine Pause nach dem Standortwechsel ist in Reutlingen nicht vorgesehen. Musizieren dürfen in der Universitätsstadt höchstens fünf Personen, in Reutlingen können es auch mehr sein. Eine Altersgrenze gibt es nicht. Zu den beliebtesten Standorten Reutlingens gehören der Markplatz und die untere Wilhelmstraße. In Tübingen gibt es insgesamt neun Standorte, wo Straßenmusiker auftreten dürfen.
Hier können Sie fragen
Sie haben eine Frage oder eine Anregung für ein Thema? Dann schicken Sie diese per E-Mail an: leserfragen@gea.de
Für Reutlingen gibt es keine Liste mit Instrumenten, die tabu sind. Jedoch seien Schlagzeuge oder Trompeten nicht sonderlich erwünscht. Keppler stellt klar: »Es kommt aber eher auf die Lautstärke an, man kann eine Trompete auch leise spielen.« In dem Tübinger Merkblatt für Straßenmusik ist zu lesen: »Die Benutzung besonders lauter oder störender Musikinstrumente ist nicht erlaubt.« Tabu sind hier noch Posaunen, Saxofone, Dudelsackpfeifer und Drehorgeln. Wenn sich Anwohner beim Reutlinger Ordnungsamt beschweren, dann meistens wegen der Lautstärke, berichtet Keppler. Oft spiele auch der Musikgeschmack eine große Rolle, wenn sich jemand gestört fühle, weiß er. So kann es beispielsweise sein, dass dieselbe Melodie sowohl total gut als auch richtig schlecht ankomme.
Regeln werden nicht verschärft
Von dem Geld, das die Musiker verdienen, wird nichts abgezogen. Solange sie mit Hut und Koffer unterwegs sind, ist alles noch im grünen Bereich. Auch ein Akku-Verstärker sei in Ordnung, sagt Keppler. Singen sie mit Mikrofon, verkaufen CDs oder andere Gegenstände, fallen ihre Aktivitäten in die Kategorie »Sondernutzung« und müssen genehmigt werden. In Tübingen heißt es: »Lautverstärker sowie Tonübertragungsgeräte aller Art dürfen nicht benutzt werden.«
Dass andere Städte wie etwa Freiburg und Konstanz Straßenmusik noch strenger handhaben, erklärt Keppler damit, dass dort die Musikszene stärker ausgeprägt sei. In Reutlingen sei die Anzahl der Musiker begrenzt und habe in den vergangenen Jahren auch nicht zugenommen. Daher sehe man sich nicht veranlasst, die Regeln zu verschärfen. (GEA)