TROCHTELFINGEN. Vom Frühjahr an bis in den Sommer hinein wurde kurz vor Trochtelfingen auf einer Wiese gebaut. Gerüchte kursierten, was es wohl damit auf sich habe. Seit Juni ist das Bauwerk fertig. Es handelt sich um einen künstlich angelegten Teich. Vermeintliche Spaßvögel hatten im Sommer eine Badeinsel ins Wasser gelegt, am Ufer Sonnenschirm und Liegen aufgestellt.
Doch es handelt sich bei dem neu entstandenen Gewässer nicht um einen Swimmingpool für Menschen, sondern um ein Biotop, das vor allem der Kreuzkröte helfen soll. Zwischenzeitlich wurde der Teich mit einem Bauzaun provisorisch abgesperrt, damit Unbefugte das Gelände nicht betreten, voraussichtlich wird noch ein Holzzaun gebaut. Außerdem wird es ein Hinweisschild geben, das über Sinn und Zweck der Anlage informiert. Der GEA hat bereits jetzt die Antworten.
Geburtshilfe für die Kreuzkröte
Die Initiative zum Bau des »Tümpels« ging vom Referat für Naturschutz und Landschaftspflege, Sachgebiet Artenschutz, beim Regierungspräsidium Tübingen (RP) aus. Hintergrund ist, dass die nahe gelegene Seckachquelle ausgetrocknet ist, laut RP eine der Folgen des Klimawandels, mit denen die Kreuzkröte zu kämpfen habe. Diese Art sei sehr selten, auf der Schwäbischen Alb gebe es ein vollkommen isoliertes Vorkommen der Kreuzkröte. Auf dem Truppenübungsplatz Münsingen etwa fahren immer mal wieder Panzer übers Gelände, in deren Fahrspuren sich Mulden, Pfützen und Tümpel bilden, in denen sich das Regenwasser sammelt, und sie verdichten den Boden.
Die so entstandenen Kleingewässer dienen spezialisierten Amphibien-, Libellen- und Kräuterarten als Lebensraum wie etwa Torf-Mosaikjungfer, Alpen-Laichkraut und Kreuzkröte. Auch der Verein Rana (Reptilien Amphibien Neckar Alb) hat in einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Landschaftserhaltungsverband im Landkreis und auf der Alb in der Vergangenheit bereits sozusagen Geburtshilfe für die Kreuzkröte geleistet. Es wurden an verschiedenen Stellen Edelstahlwannen in den Boden eingelassen und mit Wasser gefüllt.
Bei dem künstlichen Teich in Trochtelfingen handelt sich laut RP um ein »sogenanntes Trinkwasserasphaltbecken. Die Besonderheit dieser Konstruktion ist, dass das Becken mittels Stöpsel abgelassen und gereinigt werden kann.« Das erklärt auch die etwas erhöhte Lage des Teichs. »Hierdurch werden Fressfeinde der Kreuzkröte über das Winterhalbjahr weitgehend entfernt. Das Gewässer imitiert damit den temporären Charakter der Reproduktionsgewässer der Pionierart Kreuzkröte.« Die Kreuzkröte benötigt als Lebensraum trockenwarme Gebiete mit lockeren und sandigen Böden.
Da ihre natürlichen Biotope rar geworden sind, nutzt sie in der vom Mensch veränderten Landschaft oft Sand- und Kiesgruben, Bahn- und Baugelände. Und auch die sandigen Fluss- und Bachauen, in denen sie ihr Habitat hat, gibt es kaum noch. Deswegen muss ihr geholfen werden, um ihre Population zu erhalten, zu stabilisieren oder sogar zu vergrößern. Die Laichzeit der Kreuzkröte erstreckt sich von April bis Mai. Ihre natürlichen Laichgewässer erwärmen sich schnell, sind frei von pflanzlichem Bewuchs und trocknen zeitweilig aus, sodass hier kaum Fressfeinde vorhanden sind.
Population nimmt ab
»Die landesweite Bestandsentwicklung der Kreuzkröte ist aufgrund von Kartierungen ebenso gut bekannt wie die Entwicklung auf der Schwäbischen Alb. Die Kreuzkröte gehört zu denjenigen Amphibienarten, die in Baden-Württemberg am stärksten rückläufig sind. In der Umgebung gibt es nur sehr wenige weitere Vorkommen in aktiven oder ehemaligen Steinbrüchen, zum Beispiel bei Grabenstetten oder bei Zwiefalten. Ein ehemaliges Vorkommen in der Lauteraue bei Wasserstetten konnte seit über zehn Jahren nicht mehr bestätigt werden«, teilt das Regierungspräsidium mit.
Das Gelände, auf dem sich unterschiedliche Biotope befinden, gehört dem Bund Naturschutz Alb-Neckar (BNAN). Das ehemalige Feuchtgebiet unterhalb des Teichs ist seit Jahren trocken. Die Idee zum Bau eines künstlichen Gewässers hatte vor etwa zwei Jahren Horst Geupel vom BNAN, der froh ist, dass das Regierungspräsidium sie nun umgesetzt hat. Selbst gehört hat er die Kreuzkröte hier zwar nicht - und zu überhören ist sie in der Laichzeit nicht: Ihre Rufe sind manchmal über zwei Kilometer weit zu hören. Aber es leben einige Tiere in der Umgebung, zum Beispiel auch dort, wo eine Agri-PV-Anlage auf der Haid gebaut wird. Und eben bei dem Grundstück, auf dem nun der Teich angelegt wurde.
Naturfotografin Eva-Maria Pulvermüller war vor Jahren in dem Gebiet unterwegs, auf Suche nach seltenen Pflanzen. Während eines Gewitterregens war sie umringt von jungen Kreuzkröten, das Phänomen nennt man »Krötenregen«. Damals informierte Eva-Maria Pulvermüller, selbst Mitglied im Rana, die BNAN-Leute. Horst Geupel nahm wiederum Kontakt mit dem Referat für Naturschutz und Landschaftspflege auf, und so landete die Kreuzkröten-Rettungs-Idee beim RP. Warum gerade diese Stelle Erfolg versprechend ist, erklärt Pressesprecherin Sabrina Lorenz: »Die einzige Möglichkeit zur Reproduktion der Kreuzkröte war im Quellbereich der Seckach, wenn diese in niederschlagsreichen Jahren die angrenzenden Wiesen überschwemmt. Dies ist in den vergangenen zehn Jahren nur einmal (2024) vorgekommen. Andere permanente Gewässer in der Umgebung sind für die Kreuzkröte nicht zur Reproduktion geeignet.«
80.000 Euro für die Kröten-Kinderstube
Die Kinderstube der Kreuzkröte hat einiges gekostet: Die Baukosten für das Trinkwasserasphaltbecken liegen bei circa 80.000 Euro. »Die Summe amortisiert sich jedoch über die Jahre. Für den Betrieb und die Pflege werden jährlich nur wenige hundert Euro fällig.« Die Betreuung wird über das Regierungspräsidium Tübingen in Abstimmung mit dem für ein Monitoring beauftragten Büro gewährleistet, es ist die Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung Filderstadt. »Die Pflege inklusive des Ablassens im Herbst und Befüllens im Frühjahr übernimmt ein örtlicher Unternehmer.« Gefüllt wird das Becken mit Trinkwasser. »Wasser aus anderen Gewässern könnte Fressfeinde, zum Beispiel Fische, Libellenlarven und so weiter, mit sich bringen, die im Trinkwasserasphaltbecken unbedingt vermieden werden müssen.« Das Monitoring basiere auf wissenschaftlichen Standards zur Dokumentation der Entwicklung der Population.
Das künstlich geschaffene Laichgewässer für die Kreuzkröte soll so lang wie möglich bestehen bleiben. »Die Lebensdauer derartiger Gewässertypen beträgt 25 Jahre und mehr.« Und es gibt bereits erste Erkenntnisse, dass es seinen Zweck erfüllt. »Obwohl das Becken erst nach Abschluss der Hauptreproduktionszeit der Kreuzkröte gebaut werden konnte, hat sie das Becken bereits angenommen. Im September konnten die ersten kleinen Kreuzkröten im Umfeld des Beckens beobachtet werden«, so Lorenz. Horst Geupel erklärt: »Wir als Naturschützer wollen eigentlich nicht, dass Flächen auf unserem Grundstück zugebaut werden.« Die Ausnahme ist, wenn damit einer Spezies wie der Kreuzkröte, die auf der Roten Liste der streng geschützten Arten steht, geholfen werden kann.
Flink wie eine Maus
Die Kreuzkröte (wissenschaftlicher Name (Bufo calamita) hat ihren Namen von dem gelblichen Streifen, der sich von der Kopfmitte über den Rücken - das »Kreuz« - nach unten zieht. Diese Amphibienart bewegt sich nicht hüpfend fort, wie es Frösche und Kröten üblicherweise tun, sondern sie läuft eher mausähnlich, schnell und flink durch die Gegend. Ihre Laichschnüre bestehen aus circa 3.500 bis über 9.000 Eiern, aus denen bereits nach fünf bis sechs Tagen Larven schlüpfen, aus denen sich wiederum in drei bis vier Wochen junge Kröten entwickeln. (GEA)
Hier können Sie fragen
Sie haben eine Frage oder eine Anregung für ein Thema? Dann schicken Sie diese per E-Mail an: leserfragen@gea.de






